Die junge Firma BEÚ Spirits aus Zürich, Berlin und Mexiko vertreibt Mezcals zum Niederknien!
Ich wurde kürzlich zu meinem allerersten Mezcal-Tasting eingeladen, von BEÚ Spirits, an ihrem Wohn- und Hauptsitz im Zürcher Kreis 3, im Sihlfeld. Ich treffe am verabredeten, sonnigen Abend etwas zu früh ein, was für die beiden Hauptprotagonisten der Firma, CEO Chris Santiago (36), dessen Kind das Unternehmen ist, und CFO Fabienne Kurt (31), die vor einigen Monaten Chris in Mexiko geheiratet hat, kein Problem darstellt. Ich werde herzlich empfangen und fühle mich in ihrer schönen, grossen Genossenschaftswohnung gleich wohl.

Für alle, die noch nicht viel über die Agaven-Spirits wissen, hier das Grundlegende, von der Webseite der Uni Zürich:
Tequila kommt von Agaven, um genau zu sein von der Agave tequilana. Mittlerweile existieren über 300 Arten von Agaven. Tequila gehört zu den Mezcals, also den mexikanischen Spirituosen mit ca. 40 Vol.-% Alkohol, die von verschiedenen Agavenarten hergestellt werden. Bei Tequila ist es (ausschliesslich) die Agave tequilana, die auch blaue Agave oder Tequila-Agave genannt wird. Der Anteil der Agave tequilana muss dabei mindestens 51% betragen, sonst kann das Getränk nicht Tequila genannt werden. Beim Ernten werden als erstes alle Blätter abgeschnitten. Übrig bleibt das ‘Herz’, das einer Ananas ähnelt. Dieses wird auch ‘Piña’ genannt, spanisch für Ananas. Die Piña wird gekocht, um einen süssen Agavensirup zu erhalten. Dieser wird dann fermentiert und zu Tequila destilliert.
Es überrascht mich ausserordentlich, als ich ein Filmposter von «The Holy Mountain» von Alejandro Jodorowski an der Wand erspähe. Für mich ist das der mit riesigem Abstand psychodelischte Film, der jemals gemacht wurde, und ich kenne sonst nur Sascha, der den Film auch gesehen hat (und schätzt). Den Trailer dazu hatte ich in einem Weekend Briefing als Mind Fuck eingebettet. John Lennon hat co-produziert. Da Chris ebenso Cineast ist, fragt er mich, ob ich die Dokumentation über Jodorowskis «Dune»-Projekt gesehen habe, an dem der Filmemacher 1975 zu arbeiten begonnen hatte. Und ob ich ihn gesehen habe! Jodorowsky, der in knapp sechs Jahren (hoffentlich) 100 Jahre alt wird, hatte den Film im Kopf eigentlich schon fertig gedreht. Das leider nie vollendete Projekt hätte so illustre Künstler wie Salvador Dali, H.R. Giger, Orson Welles, Pink Floyd, Mick Jagger und viele mehr vereint.

Generell möchte ich keine profanen, förmlichen Interviews halten, sondern Konversationen führen. Genau so wie es Johnny Depp hier über seinen Freund Shane McGowan von The Pogues in einer Masters Session erzählt. Und so führen wir interessante, entspannte Gespräche über alles mögliche, Filme, Ernährung und anderes.
Ich wurde im Laufe des Abends fürstlich bewirtet (selbst in Chris’ leckerer Salsa ist Mezcal drin), wobei ich mich im Kalorien-zählen-Modus befinde und nicht so sehr zulangen konnte, wie ich Lust dazu gehabt hätte. Aber das macht gar nichts, denn die eigentlichen, relevanten Genüsse sind die zahlreichen Wasser des Lebens, und da sage ich natürlich nie nein.
Es waren vermutlich so um die ca. 15 bis 20 Mezcal-Shots, ein Geschmackserlebnis sondergleichen, was meine Präferenzen neu justiert hat, aber dazu später mehr. Neben ihren fünf bisherigen Hauptprodukten, führen sie ferner sogenannte «Thirteen Moons»-Sondereditionen in kleinen Batches, wovon bis jetzt drei offiziell auf der Webseite geführt werden, weitere folgen in Bälde.

BEÚ Spirits ist ein junges Startup-Unternehmen, vor zwei Jahren gegründet, mitten in der Covid-Pandemie, und verfügt über sechs Mitarbeiter, verteilt auf Zürich (Chris, Fabienne, Gabriela, die für das Marketing zuständig ist, sowie Joel für Auslieferungen) und Berlin (Danny + Eduardo, Verkauf). Vier Gründer und zwei Co-Gründer. Ihr Portfolio umfasst bislang fünf verschiedene traditionell hergestellte Premium-Mezcals, die beispielsweise über Casa del Tequila erhältlich sind.
Auch und vor allem in angesagten Gastrobetrieben wie dem Dante, dem Bricks, der No Idea-Bar, der Kasheme oder der Bank werden ihre Spirituosen ausgeschenkt, was deutlich profitabler sei, als der Einzelhandel. Das Aufwand-Ertrag-Verhältnis sei auch der Grund dafür, dass sie auf ihrer Webseite keine Shopanbindung haben, sie sind B2B-fokussiert.

In der Zusammenarbeit mit Mexiko brauche man sehr viel Geduld, dort werde leider nicht sehr effizient gearbeitet. Natürlich muss man auch mit einer gewissen Schlitzohrigkeit klarkommen, harmlos ausgedrückt. Und die Bürokratie sei sehr aufwändig. Chris stammt ursprünglich aus Mexiko, kennt und lebt aber auch die europäische Produktivität.
Die Zeitverschiebung zu Mexiko beträgt 7 bis 8 Stunden. Der Präsident von Mexiko hat die Zeitverschiebung aufgehoben, mit der Bemerkung, dass der allmächtige Gott nur eine einzige Zeit erschaffen habe … So kann man das wohl auch sehen … Mindestens einmal pro Jahr besuchen sie das Land, wo alles begann, wo die Freunde, die zum Gründerteam gehören, besseren und ursprünglicheren Mezcal bekamen als in Europa und dies ändern wollten.

Chris arbeitet ungefähr 50 Prozent für BEÚ Spirits und 50 Prozent für seine Filmprojekte respektive 100 Prozent für die Filmprojekte, wenn diese aktuell sind, und dann wieder 100 Prozent für BEÚ Spirits, wenn die Filmprojekte abgeschlossen sind. Fabienne arbeitet 100 Prozent im Biotechnologie-Bereich, und hängt regelmässig abends noch 3 bis 4 Stunden für BEÚ Spirits an.
Ensamble bedeutet “Ensemble” und bezieht sich auf Mezcal, der aus einer Mischung verschiedener Agavensorten hergestellt wird. Es ist eine Art der Mezcal-Herstellung, bei der mehrere Agavenarten kombiniert, womit einzigartige Geschmacksprofile erzeugt werden.
«Beú» heisst auf zapotekisch, der nativen Sprache von Oaxaca, wo ihre Destillate hergestellt werden, «Mond», als Referenz an die natürlichen Zyklen, und infolgedessen heissen ihre Produkte «New Moon», «Crescent Moon», «Blood Moon», «Moon Ceremony» und «Full Moon», wobei wir vom Wermutwolf wegen Letzterem auf sie aufmerksam wurden.
Als der Wermutwolf exakt zu Vollmond, am 5. Mai dieses Jahres, online ging, brachte unser Chefredaktor Sascha eine Flasche dieses «Full Moon»-Mezcal mit, und ich, um das Bild zu vervollständigen, verschiedene Wolf-Gins. Und von diesem «Full Moon»-Mezcal, den wir vorher nicht kannten, waren wir sehr angetan.

Beim Tasting dann die Überraschung: Der «Full Moon» sei die Sorte, welche misslungen sei. Zu viel Anis. Am Tag nach dem Tasting – noch immer etwas benommen von den vielen Spirits – bestellte ich bei Farmy eine Flasche davon, die mich mit ihrer Effizienz überraschten. Obwohl spät bestellt, kommunizierten sie sogleich die Lieferung für den nächsten Tag, man kann das Zeitfenster festlegen, und nachdem ich das getan hatte, bekam ich am Morgen des folgenden Tages ein SMS, dass meine Lieferung plus/minus um 19.18 Uhr kommen werde. Letztlich wurde es zehn Minuten früher. Hut ab! So viel zum Thema Effizienz.
Und ja, jetzt verstehe ich ihre Sichtweise, es ist tatsächlich sehr heavy mit dem Anis. Trotzdem verstehe ich retrospektiv auch unsere Reaktion. Ich bleibe dabei, für jemanden, der Anis gern mag, ist das ein toller Schnaps. Dass dabei die anderen Botanicals ziemlich untergehen, schleckt aber keine Geiss weg.
Maestro Mezcalero bezeichnet den Mezcal-Meister, der für die Herstellung und das Handwerk des Mezcals verantwortlich ist. Diese Personen haben oft jahrelange Erfahrung und spezielles Wissen in Bezug auf die Agavenauswahl, die Destillationstechniken und den Reifeprozess.
Ich frage Chris, was sein Liebling unter seinen Mezcals sei. Er antwortet, dass das der «Crescent Moon» sei, da er dort die ganze Evolution miterlebt habe, dass er gut ausbalanciert sei, die Agaven gut zur Geltung kommen. Ich schliesse mich an, auch ich mag den «Crescent Moon» am liebsten. Jedes Mal wenn ich an diesem Text geschrieben hatte, stand ein Glas mit einem ihrer Mezcals auf dem Tisch (selbst erworben, aus den verschiedenen möglichen Einzelhandel-Bezugsquellen, die Angebote pro Distributor schwanken von der Auswahl her.). Wurde deshalb der Artikel so lang?

Ich war beim Tasting oft etwas überfordert, da ich fast alle Sorten als sehr vielseitig, komplex, wahrgenommen hatte, und phasenweise unsicher war, mit was ich die diversen Düfte assoziieren soll. Aber es war eine äusserst abwechslungsreiche, abenteuerliche Geschmacksreise. Meist war der Abgang lang und gehaltvoll. Das sind alles keine trivialen 08/15-Drinks, und ich weiss etwas mit Sicherheit: Massenware-Mezcal wird es in meinem Daheim nie mehr geben.

Ich gebe es zu: Ich hatte in meinem bisherigen Leben höchstens sieben bis zehn unterschiedliche Mezcals getrunken, und alle waren ausgeprägt rauchig-herb, wie das Cliché besagt. Offenbar sei das aber primär ein Merkmal von Mezcal, den man hier in Europa bekommt, nicht so sehr wie es in Mexiko typisch ist. Und tatsächlich ist bei diesem umfangreichen Tasting lediglich einer dabei, der ein wenig dieser dominanteren rauchigen Kategorie zuzurechnen ist.
Nicht dass man mich falsch versteht: Man schmeckt den Boden, das Terroir, den Erdofen. Es wäre wohl nicht korrekt, zu sagen, dass es so gar nicht rauchig wäre. Für einen Mainstream-Gaumen schmecken wohl auch die Mond-Mezcals etwas rauchig, und so soll es ja auch sein.
Aber wie im Whisky-Bereich existieren ein wenig torfige, rauchige Blends, und dann jene, die so richtig hart nach Schlamm riechen. Offenbar etwas, was Fabienne gefällt. Mir früher auch, mittlerweile nicht mehr. Ich schätze heute eher die leichteren, fruchtigen Malts.
Silvestre bedeutet «wild» und bezieht sich auf Mezcal, der aus wild wachsenden Agaven hergestellt wird. Im Gegensatz zu kultivierten Agaven können wilde Agaven eine größere Vielfalt an Aromen und Geschmacksprofilen aufweisen.
Als ich sie frage, ob sie Wermut mögen, bejahen sie, erzählen auch, dass sie in letzter Zeit vom Absinth, dem grossen Bruder vom Wermut, fasziniert sind.

Jedenfalls, nochmals zurück zum «Full Moon»: Sie teilten aus Prinzip dem Produzenten nicht mit, dass sie dieses Anis-Produkt gerne bei sich behalten können, sondern pappten einen Button auf die Etiketten mit der Bezeichnung «Pan de Muerto-Edition», was eine Anlehnung an eine Art von mexikanischer Anis-Panetone zum Tag der Toten ist. Marketingtechnisch hervorragend gelöst. Die Etiketten auf allen ihren Flaschen stammen aus den Abfallresten der Agaven, und werden bei einem ehemaligen Studenten des interessanten Künstlers Francisco Toledo aus Oaxaca hergestellt.
Für den nächsten Batch vom «Full Moon» wird Anis aber sehr reduziert eingesetzt, oder sogar gänzlich weggelassen. Das Erstaunliche ist, dass es bei diesem Anis-Batch aber nur zu einem einzigen Esslöffel Anis auf 200 Liter gekommen ist. Spirit-Alchemie ist eine heikle Sache. Und meist wisse man erst ganz am Schluss, wie es konkret schmecken wird.
Der nächste «Full Moon»-Batch wird dann mehr Richtung Trutenbrust und Früchte schmecken, und obwohl ich ansonsten Vegetarier bin, freue ich mich schon sehr darauf, es verkosten zu können. Solch einen Mezcal wird oft an Dorffesten ausgeschenkt, zu Hochzeiten oder dergleichen, welche locker eine Woche dauern können. So begann die Geschichte des Mezcals. Mit lokalen Bräuchen. Heute ist es ein globaler Hype. Mit entsprechenden Konsequenzen.
Pechuga ist eine spezielle Art von Mezcal, bei der während des Destillationsprozesses ein Hühnchen- oder Truthahnbruststück (Pechuga) zusammen mit den Agaven verwendet wird. Dies verleiht dem Mezcal einen einzigartigen Charakter und Geschmack.

Wir leben in Zeiten des massiven Greenwashings, doch Unternehmen wie BEÚ Spirits, die auf traditionelle, ökologische Produktion setzen, sind ihre Grundsätze wichtig. Natürlich können sie aus der Ferne nicht jeden einzelnen Prozess überwachen. Seit Mezcal vorwiegend in den USA zum angesagtesten Drink wurde, leidet das Land sehr darunter. In Amerika ist Mezcal der Schnaps Nummer Eins, während hier in der Schweiz, in Europa noch immer schwerste Basis-Aufklärungsarbeit geleistet werden muss, wie mir Daniela von Casa del Tequila kürzlich mitteilte.
Massive Entwaldung (einerseits weil der Platz immer mehr für Agaven eingesetzt wird, andererseits um als Feuerholz für die Öfen eingesetzt zu werden) und vermehrte Monokulturen kreieren zwar riesige Geldsummen, lassen jedoch verbrannte Erde zurück. Jährlich verliert Mexiko um die 180’000 Hektar Wald.

Um die Produktivität zu steigern, werden Pestizide und Ableger eingesetzt, und sicherlich zeichnen die Espadin-Agaven auch für das Gros der Mezcals verantwortlich, weil diese nicht erst nach 25 bis 40 Jahren reif sind, sondern nach «nur» 6 bis 8 Jahren, nebst der breiten Verfügbarkeit. Und es ist wie überall, wegen des Profits werden beispielsweise Honigbienen im Gegensatz zu Wildbienen gepusht, wie auch die wilden von den kultivierten Agavensorten verdrängt werden.
Während des ganzen Abends läuft Musik, und zwar richtig tolle Musik. Für mich ein seltenes Erlebnis, dass jemand einen derart ähnlichen Musikgeschmack hat. Charles Bradley, Kruangbin, und viele weitere Klangperlen sind zu hören. Chris trägt ein «Led Zeppelin»-Shirt. Auch ein Vinyl-Plattenspieler steht im Wohnzimmer. Wir sind uns alle einig, dass nichts so grossartig wie das gute, alte Vinyl klingt. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten …
Hier ihre tolle Spotify-Playlist, vom Berlin-Danny von BEÚ Spirits (Sales) kompiliert:
«Para todo mal mezcal, para todo bien también». («Für alles Schlechte Mezcal, für alles Gute ebenso.»)
Mexikanisches Sprichwort
Chris musste zuerst in die toughe CEO-Rolle hinein wachsen, und Fabienne ist sicher nicht zur Buchhalterin geboren, sondern mit ihrer Erfahrung in der ETH Zürich, ihrem PHD in Biotechnologie und als Co-Gründerin des Unternehmens «Pharmabiome AG» dem Wissenschaftsbetrieb, der Forschung, zuzurechnen. Und so befinden sich die beiden auch etwas im Clinch, wo ihre Home Base sein soll. Fabiennes Branche ist an Orten wie Norwegen – oder etwas näher – Basel präsent, während Chris an einem Ort leben möchte, wo er wenigstens der Sprache mächtig ist. Wie das so ist in Beziehungen, man diskutiert, man verhandelt, und letztlich sollte jeweils ein Ergebnis herauskommen, womit beide gut leben können. Das ist der nicht immer einfache Weg, den wir im Leben zurücklegen, den wohl die meisten von uns kennen, und der oft auch einfach Zeit benötigt. Wie bei der Reifung der Agaven.
Zur Vorbereitung des Besuchs versuchte ich, ein wissenschaftliches Papier von Fabienne zu lesen, «Co-cultivation is a powerful approach to produce a robust functionally designed synthetic consortium as a live biotherapeutic product (LBP)», doch erfolglos, das Vokabular, ist mir zu fremd. Sie versuchte mir an diesem Abend das näher zu erläutern, doch eben, das ist eine herausfordernde Materie. Auch was Chris mir über die mannigfaltigen Facetten von Mezcal erzählt, überfordert mich teilweise, aber Fabiennes Steckenpferd ist da nochmals ein different animal, selbst mit 0 Prozent Promille …

Ich spreche Chris auf sein sehr schönes Corporate Video an, das er für BEÚ Spirits gemacht hat:
Ich frage ihn, ob die Tatsache, dass hier eine weibliche Mezcalera gezeigt wird (die das Handwerk von ihrem Vater erlernt hat), nicht eine krasse Ausnahme sei. Er verneint, meint, dass es ungefähr zehn Prozent weibliche Mezcal-Hersteller seien, und dass hinter der patriarchalen Fassade oft die Frauen seien, die den Betrieb managen.
Ein Palenque ist eine traditionelle Mezcal-Brennerei oder Destillerie. Es ist der Ort, an dem die Agaven verarbeitet, fermentiert und destilliert werden, um Mezcal herzustellen.
Wirtschaftlich-finanziell gesehen, verfügt das Unternehmen zwar über eine solide, wachsende Grundlage, doch im operativen Geschäft geht es oft ans Limit, da sie in Mexiko die Produzenten vorab bezahlen müssen, was bei zwei bis drei Paletten eine 20’000-Franken-Rechnung bedeuten kann. Hier jedoch dauert es dann eine ganze Weile, bis die Produkte einzeln verrechnet werden können.
So ist auch das Zollfreilager in Embrach nur eine Erleichterung für die Logistik, doch eine weitere finanzielle Belastung. Trotzdem wächst das Unternehmen kontinuierlich. Den Gesamtumsatz von 2021 haben sie in diesem Jahr bereits im Mai drin.
Bis heute (Juni 2023) konnte das Unternehmen 89 neue Kunden aus der Gastronomie und dem Einzelhandel, darunter 5-Sterne-Hotels und Luxusbetriebe, in der Schweiz, Berlin und München gewinnen und wächst konstant weiter. BEÚ Spirits ist eine GmbH mit Standorten in Zürich, Berlin und Oaxaca.

Sie wären sich nicht so richtig im Klaren darüber, was sie tun würden, falls irgendwann einmal jemand einen Multi-Millionen-Dollar-Check für ihre Firma zücken würde. Das ist etwas, was ich für den Wermutwolf (so kurz nach dem Start) auch jeden Moment erwarte … jeden Moment … sicher bald … fingers crossed … Hallo? Irgendjemand?
Die Alkoholsteuer ist in der Schweiz für Spirituosen leider sehr hoch. Wein wird in der Schweiz überhaupt nicht besteuert und Bier mit nur Fr. 5.40 pro Liter Reinalkohol (LRA). Diese werden als Grundnahrungsmittel betrachtet. Spirituosen hingegen werden mit satten Fr. 29.– pro LRA zur Kasse gebeten. In Irland oder Nordeuropa ist es noch teurer. Die Steuern gehen zu 90 Prozent in die AHV und IV, während die anderen 10 Prozent in die Kantone verteilt werden, die dieses Geld in den Kampf gegen Alkoholismus und Sucht investieren müssen.
Für 2’000 Kilogramm Agaven bezahlte BEÚ Spirits Fr. 2’500.–, was ein mittlerweile stolzer Kilopreis von Fr. 1.25 bedeutet. In diesen Wolf-Nuus habe ich den steigenden Preis in Bezug zum Tequila-Markt erwähnt. Viel Kapital ist vonnöten, sie befinden sich aktuell in einer Kapitalerhöhungsrunde.

Ich frage, weshalb sie nicht in den Nummer-Eins-Markt für Mezcal, die USA, investieren. Chris meint, dass da ihre Marke in der fast unüberblickbaren Vielfalt untergehen würde, ihr USP nicht bemerkt würde.
Ich muss dabei an einen aktuellen Newsletter des «Everyday Drinking»-Blog denken. Dieser wird von der Branchenlegende Jason Wilson geschrieben, der seit vielen Jahrzehnten im Geschäft ist. Er berichtete dort über die enorme Marktmacht der dominanten Konzerne à la Diageo und beschreibt, wie er an einem Bar-Konvent in Brooklyn teilgenommen hatte, bei dem er länger im Pavillon der aufstrebenden Marken verweilte:
«Ich fühlte dieselben Ängste, als ich einen anderen tollen neuen Gin, «Linden Leaf» probierte. Offenbar ein «organischer Molekular-Spirit», von drei Wissenschaftlern und Ingenieuren der Cambridge Universität erschaffen. Es ergab einen grossartigen Gin Tonic, zweifellos, aber mit so vielen anderen neuen Gins, die jedes Jahr gelauncht werden, wissen wir alle, dass der Geschmack nicht darüber entscheiden wird, wer gewinnen wird.»

Wie der Wermutwolf regelmässig berichtet, sind in den USA sehr viele Promis mit eigenen Mezcal-/Tequila-Brands im Rennen. Man blättert offenbar um die 100’000 Dollaz hin und besitzt ein halbes Jahr später eine eigene Mezcal-Marke.
Die näheren Zukunftspläne von BEÚ Spirits sind, in Mexiko eine eigene Produktionsstätte zu etablieren, was bedeutet, dass Exportlizenzen zu beschaffen und vieles andere zu erledigen ist.
Eine Mezcaleria ist eine Bar oder ein Geschäft, das auf Mezcal spezialisiert ist. Hier können verschiedene Mezcal-Marken und -Sorten verkostet und gekauft werden.
Eine richtige Mezcal-Szene gäbe es in der Schweiz nicht so wirklich, mehr einfach eine Bartender-Szene, die den Agaven-Spirit zu schätzen wissen. In Deutschland aber schon eher.
Jetzt im Sommer sinkt der Umsatz. Schlechtes Wetter ist besser für ihr Geschäft. Sommer bedeutet, dass auf Masse und billig ausgerichtet wird. Möge es Chaac (Maya-Gott des Regens) heftig regnen lassen!

Chris animierte mich dazu, etwas Mezcal auf den Handrücken zu streichen, um weitere Geschmacksnoten zu erkennen, was ich erst zu Hause tue und tatsächlich, beim «Crescent Moon» scheine ich Holznoten, Eukalyptus und Früchte herausriechen zu können.
Generell bin ich mir aber bewusst, erst am Anfang meiner Tasting-Fähigkeiten zu stehen. Ich habe Alkohol immer gerne getrunken, doch in dieser Tiefe befasse ich mich erst seit meinem Engagement beim Wermutwolf damit. Und diese Entdeckungsreise ist unglaublich spannend.
Kürzlich schaute ich die erste Staffel von «Drops of God» auf Apple+, und es ist genau dieses dort hervorragend dargestellte sinnliche Erlebnis, was einen gefangen nimmt, wenn man sich darauf einlässt. An diesem Abend nahm ich das sehr intensiv wahr.
Es waren beim Tasting sehr spannende Vergleiche dabei, beispielsweise zwei verschiedene Batches desselben Mezcal, alt und neu, oder ein Massenprodukt und eins von ihren Mezcals, mit denselben Agaven. Mezcal wird häufig verdünnt, um Kosten zu sparen, verkaufbare Masse zu erhöhen, was dann auf Kosten des Geschmacks geht. Bei den Produkten von BEÚ Spirits ist das offensichtlich nicht der Fall.
Als ich Chris frage, wie er sich denn den Mix der diversen Agavensorten für eins der eigenen Produkte erkläre, meint er, das sei oft nach dem Prinzip «was ist gerade reif im Garten?» entstanden, was das Gegenprinzip zu den ökologisch problematischen Monokulturen darstellt. Ich muss es klar festhalten: Was ich an diesem Abend alles serviert bekomme, war durchs Band ein himmlischer Genuss!
Eine Tahona ist eine große steinerne Mühle oder ein Mühlstein, der traditionell verwendet wird, um die gekochten Agaven zu zerkleinern und den Agavensaft freizusetzen. Die Tahona ist ein charakteristisches Werkzeug in der Mezcal-Produktion.
Sascha fragte mich kürzlich, was ich am Mezcal denn so toll fände. Ich denke, dass es primär die Komplexität, in Kombination mit der Wildheit ist. Ein Mezcal leert man nicht einfach gedankenlos herunter, da geht etwas in einem vor. Ein teurer, edler Cognac oder Single Malt Whisky ist selbstverständlich auch ein Genuss, aber der Mezcal reisst mich mehr mit, nimmt meine Aufmerksamkeit, meine Anwesenheit, ganz anders gefangen.
Auf meine Frage, wie wichtig solche Awards wie der Berlin Spirits Award seien, bei dem ihr «Moon Ceremony» Silber holte, meint Chris, «offen gesagt nicht so sehr», denn das Fachwissen, das Verständnis für die Grundlagen, Prozesse, fehle meist bei diesen Awards. Natürlich ist es ein willkommenes Marketinginstrument, das im Einzelhandel Konsumentenvertrauen bildet.
Für Obstbrenner sind ihre Mezcal oft «falsch gemacht», und sie mussten sich offenbar schon einige Tasting-Anmerkungen – oder nennen wir es besser beim Namen: Tasting-Beleidigungen – anhören, von Leuten, die nicht verstehen, nicht schmecken, was für grossartige Spirits bei der Mond-Firma geboten werden. Das Missverständnis beruht darauf, dass viele Produzenten alles nach Standardprozessen herstellen, und ursprünglich hergestellter Mezcal dazu geradezu die Antithese ist.
Ich erwidere, dass auch ich alles andere als ein Fan von Standardprozessen bin, und für mich zum Beispiel das deutsche Bier-«Reinheitsgebot» nur ein Restriktionsgebot sei. Mein Lieblingsbier, «Storm & Anchor», wird von einem im besten Sinn des Wortes verrückten Alchemisten gebraut, der alles Mögliche in seine Biere wirft, und die gibt es dann nur temporär, bis er seinen Hexenkessel mit neuen Zutaten füllt.

Als ich nach knapp drei Stunden gehe, muss Chris noch ausliefern gehen. Wie der Wermutwolf ist auch BEÚ Spirits ein Start-up mit wenig Personal, bei dem die Arbeitskraft von jedem Einzelnen viel mehr ins Gewicht fällt, als das in Grossfirmen der Fall ist. Ich lernte zwei tolle Menschen kennen und wünsche ihnen von Herzen maximalen Erfolg!
In den letzten ungefähr zehn Jahren habe ich jedem, der es hören wollte, mitgeteilt, dass ein ca. 4 bis 6 Jahre gelagerter Extra Anejo Tequila das Beste sei, was es auf diesem Planeten zu trinken gibt. Tja, wie heisst es so schön: Die einzige Konstante ist Wandel, und wie du auf diese Veränderungen reagierst, definiert, welches Leben du führen wirst. Ich werde mein künftiges Leben bis auf Weiteres mit schmackhaften Mezcal-Freuden bestreiten.
Obwohl die Mezcals am besten pur schmecken, habe ich es mir nicht nehmen lassen, als Möchtegern-Mixologe zwei Freyhänder mit den BEÚ Spirits zu kreieren. Beide haben mir hervorragend geschmeckt! Hier ist der Erste:
BEÚ Spirits Mezcal «New Moon»
Tequila «Codiga Rosa»
Absinth «Canasinth»
Limettensaft
Grapefruit Bitters
Eine frisch gepresste blonde Orange
Der Autor des Buches, das ich momentan am Lesen bin, «Holy Smoke, it’s Mezcal!», hat den Wandel, der in mir vorgeht, perfekt beschrieben, als Abschieds-/Schlussmacher-Brief an Tequila. Zuerst die Wertschätzung für den Tequila und die Anekdoten. Dann die bekannten Phrasen: «Nicht Du, ich bin schuld …». Er werde die schönen Zeiten immer hochhalten, aber na ja, er liebe sie halt nicht mehr, es gäbe jetzt eine andere … Er schäme sich so, zumal es eine Verwandte von ihr, vom Tequila, sei.
Ihr Unterschied sei teilweise subtil, oft aber auch betont. Sie sei smoky, sexy and complex. Auf sie sei manchmal heruntergeschaut worden (eine Parallele zu unserem Wappenkraut, Wermut). Aber sie habe ihren Kopf hochgehalten. Ihr Name? Mezcal. Meine Liebe, ich habe nicht sie gefunden, sie hat mich gefunden. Während Du, Tequila, meine erste Liebe warst (okay, bei mir war es die zweite Liebe, nach Single Malt Whisky), betörte sie mich mit ihrem Charakter und ihrer Tiefe, und ja, ich war mit ihr in den Nächten zusammen, als Du mich nicht finden konntest. Und so weiter, Du verdienst jemand besseren wie mich, Du bist immer in meinem Herzen – et cetera.
Das mag alles etwas «cheesy» klingen, aber das ist exakt die Art, wie ich momentan empfinde. Meine Worte wären eventuell noch etwas profaner. Tequila ist für mich mittlerweile die edle, wunderschöne, wie aus dem Ei gepellte Braut, während Mezcal die heisse, interessante, vielschichtige, unberechenbare Geliebte ist, die einem den Schlaf raubt!
Und hier der zweite Freyhänder:
BEÚ Spirits Mezcal «Full Moon»
Gin «Bombay Lemon»
Chartreuse verte
Gibt es etwas Attraktiveres als authentischen Charakter? Zuerst hatte ich den edlen, gelagerten Tequila gewählt, nicht den wilden, authentischen Mezcal. Das wird seine legitimen Gründe gehabt haben, ich bereue nichts. Ich trinke ohne Reue. Heute bin ich allerdings bereit für diesen wilden Ritt, fern der standardisierten Komfortzone, des bekannten Terrains und weiss die Unschärfe dieses Destillats mehr zu schätzen als bei allen anderen Spirits.
Die einzige Konstante ist Wandel, und ich bin mir bewusst, gerade diesen Wandel zu vollziehen. Ich werde mich dieser Konfrontation bald vollständig stellen, und nacheinander meine Lieblings-Tequilas und die Mezcals von BEÚ Spirits einnehmen, aber ganz ehrlich, ich weiss jetzt schon, was ich dabei wahrnehmen werde: Es war eine schöne Zeit, Tequila, hey Mezcal, was geht, du Schöne?
MEXIKO IN MÜNCHEN: DAS WAR DAS ERSTE DEUTSCHE AGAVENFORUM (Mixology.eu)
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