Bei Whisky denken die meisten an Schottland, Irland, die USA und vielleicht Japan. Doch für das goldene Lebenswasser muss man nicht so weit reisen; die kleine Schweiz kann Whisky ganz gross – so auch die bekannte Bierbrauerei Rugenbräu im Berner Oberland. In Interlaken destilliert sie den Swiss Mountain Single Malt.
Dass sich eine Bierbrauerei früher oder später an Single-Malt-Whisky versucht, ist nur verständlich. Haben doch beide eine gemeinsame Grundzutat: Gerstenmalz. Im Appenzell geht die Brauerei Locher mit gutem Beispiel voran. Sie brennt den feinen und spannenden Säntis Malt, der vornehmlich in Bierfässern lagert. Rugenbräu in Interlaken ist die zweite bekannte Schweizer Bierbrauerei, die sich dem goldenen Lebenswasser verschrieben hat.
Sorry, falsches Thema … ich meine natürlich nicht Bier, obwohl das ebenfalls eine Entdeckungsreise wert ist, sondern Single-Malt-Whisky. Nach der Aufhebung des Schweizer Brennverbots für Getreide im Jahr 1999 zauberte Rugenbräu bereits einen Bierbrand aus dem Hut. Der erste Swiss Mountain Single Malt folgte 2008.


Im Gegensatz zur Brauerei Locher geht Rugenbräu allerdings traditioneller vor – zumindest bei der Fasswahl: Die Whiskys altern hauptsächlich in Oloroso-Sherry-Fässern. Spezieller wird es beim Standort. Ausser dem Rugen-Felsenkeller gibt es noch zwei besondere Lagerräume: eine Eisgrotte auf dem Jungfraujoch und das Tropenhaus Frutigen.


Den Tropen-Whisky konnten wir leider nicht verkosten, aber fünf andere edle Tropfen – darunter den Eis-Single-Malt – hat uns Rugenbräu liebenswürdigerweise als Tasting-Sample zugestellt. Alle lassen sich im Fachhandel ordern, zum Beispiel bei drinks.ch. Detailinfos zu den verkosteten Malts gibts direkt bei Rugenbräu.
Zum Glück müssen wir uns fürs Geniessen des Eis-Whiskys und der vier anderen Lebenswasser nicht warm anziehen, sondern konnten diese bequem in der sommerlichen Wärme zu Hause probieren. Starten wir zuerst mit dem Rugenbräu-Klassiker.
Swiss Mountain Single Malt Whisky Classic, 46 %

Der Classic-Malt hat sieben Jahre auf dem Buckel, die er in Oloroso-Sherry-Fässern im Rugen-Felsenkeller schlummern durfte. Ich rieche viel Sherry – mit dem typischen Duft von Nüssen, Rosinen und Champignons. Da sind aber auch Honig und dezente Eichenholznoten. Im Mund ist er süss-würzig, mit einer guten Balance. Das Mundgefühl ist weich, hat aber dank der 46 Volumenprozent Pfiff. Den Sherry schmeckt man mit all seinen Facetten, hinzu kommen Eichenholz und Pfeffer. Im langen, würzigen Abgang bleiben Sherry, Pfeffer, Holz und Honig. Trotz seiner sieben Jahre ist dieser Malt heissblütig wie ein junger andalusischer Stier. Der Sherrygeschmack dürfte für mich noch etwas gezähmt werden. Prädikat: sehr gut
Swiss Mountain Single Malt Whisky Double Barrel, 43 %

Dieser Malt lagert mindestens vier Jahre in ausgewählten Eichenfässern im Felsenkeller. Meine Nase umschmeicheln Malz, Schokolade, Marzipan, Eichenholz und Vanille – alles eher zurückhaltend und leicht. Das Eichenholz dominiert. Im Mund gibt sich der «Double Barrel» süss. Es machen sich Karamell, Vanille, Malz und ein wenig Holzwürze breit. Dieser Whisky ist etwas feurig; er ist noch nicht so weich und rund wie ein alter Malt. Der Abgang ist kurz bis mittellang, mit Vanille und einer guten Balance zwischen Süsse und Holzwürze. Ein leichter Whisky, ähnlich einem schüchternen Teenager, der seinen Charakter noch entwickeln muss. Einige Tropfen Wasser dämpfen das Feuer. Prädikat: gut.
Single Malt Whisky Two Lakes, 42 %

Er reift ebenfalls im Felsenkeller, zum Alter gibts keine Angaben. Er ist jung und verströmt den Duft von Rosinen, Sherry (subtiler als beim Classic), Nüssen, Eiche, Honig und Vanille. Den Gaumen schmeichelt er süss-würzig – mit Rosinen, Vanille, Nüssen, Schokolade, Eiche und Pfeffer. Der mittellange Abgang ist pfeffrig, würzig, lässt aber auch Schokolade und Holz frei. Ein feiner Tropfen mit einer guten Balance zwischen süss und würzig. Er zeigt allerdings jugendlichen Übermut mit Ecken und Kanten; ein Teenager, der weiss, was er will, aber noch ohne komplexe Lebenserfahrung. Prädikat: gut
Swiss Mountain Single Malt Whisky Ice Label 2023, 54,9 %

Vorhang auf für einen älteren Jahrgang: Der Ice Label hauste vier Jahre im Felsenkeller von Rugenbräu und anschliessend sechs Jahre im ewigen Eis in einer Eisgrotte auf dem Jungfraujoch. Ein 10-Jähriger. Die Nase verwöhnt er mit Schokolade und Holz – zuerst noch etwas zurückhaltend. Er muss etwas auftauen, dann kommen Weintrauben, Sherry, Karamell und Apfel zum Vorschein. Das Mundgefühl ist sehr weich und cremig. Er ist süss, schmeckt nach Sherry, Holz und Nüssen. Der lange, süsse Abgang besticht mit Sherry und Holz, Würze, Kieseln sowie Pfeffer. Ein komplexer, runder und weicher Single Malt. Im Namen trägt er zwar «Eis», er wärmt aber Herz und Gaumen. Er strahlt eine schöne, weiche Wärme aus. Herrlich ist das Wechselspiel von Süsse und Würze. Dieser Whisky ist subtil und doch gewaltig wie ein Gletscher. Etwas Wasser tut ihm gut; es zügelt den Alkohol und lässt mehr Aromen frei … aber nicht zu viel, sonst dominiert das Holz. Prädikat: ausgezeichnet
Swiss Mountain Single Malt Whisky Rock Label, 50,1 %

Ein siebenjähriger Malt aus dem Rugen-Felsenkeller, der die finale Reifeprüfung in ausgebrannten Fässern aus Schweizer Eiche ablegte. Meine Nase kitzeln Weintrauben, Sherry, Nüsse, Karamell, Eichenholz und Vanille. Eine faszinierende Kombination von Sherry und Holz. Er verströmt einen sehr feinen Duft, den ich ewig geniessen könnte. Im Mund geben Karamell, Vanille, Eichenholz, Pfeffer und Weintrauben den Ton an. Dieser Malt ist süss-würzig, cremig, aber mit Power und Schärfe durch den Alkoholgehalt. Der Abgang ist lang, süss und würzig-pfeffrig. Es dominieren Sherry, Weintrauben und Holz. Ein massiver Sherry-Whisky mit süssem Kern. Trotz Stärke ist er gut trinkbar, etwas Wasser holt feines Holz sowie Karamell hervor. Dieser Malt ist komplex und optimal ausbalanciert. Mich reizt sein spannendes Spiel mit Süsse und Würze. Prädikat: ausgezeichnet
Fazit: an alle Sherry-Fans
Rugenbräu kann nicht nur Bier, sondern auch Whisky – und wie! Sherry spielt hier oft die erste Geige. Spass macht die gekonnte Balance zwischen Süsse und Würze. Eine spannende Idee sind die kreativen Lagerorte. Wahrlich eine richtige Entdeckungsreise.
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