Bei Whisky denken die meisten an Schottland, Irland, die USA und vielleicht Japan. Doch für das goldene Lebenswasser muss man nicht so weit reisen; die kleine Schweiz kann Whisky ganz gross. Reist mit uns ins schöne Appenzell in der Ostschweiz. Dort destilliert die Brauerei Locher ihren aussergewöhnlichen Säntis Malt.
Den herrlichen Langatun-Whisky aus dem Kanton Bern haben wir Euch schon vorgestellt. Während dieser das Herz von Fans des schottischen Single Malt höher schlagen lässt, gehen die Appenzeller wie so oft ihren eigenen Weg; ihr Säntis Malt ist etwas für wagemutige Entdecker. Denn die drei bekanntesten Abfüllungen «Edition Sigel», «Edition Himmelberg» und «Edition Dreifaltigkeit» verbringen den Grossteil ihrer Reifezeit in alten Bierfässen und nicht in den sonst für Single Malt typischen ehemaligen Bourbon- oder Sherryfässern. Das gibt dem Appenzeller Malt einen ganz eigenen Geschmack. Zudem schreiben sich die Macher drei Wörter ganz gross auf die Geschmacksfahne: süffig, süss und weich.

Die Brauerei Locher stellt seit 1886 Bier her und gehört zu den Schweizer Whisky-Pionieren: Sie startete mit der Herstellung bereits 1999, gleich nach der Aufhebung des Getreidebrennverbots. Der erste Malt aus Appenzell kam nach den für Whisky vorgeschriebenen drei Jahren Holzfasslagerung im Jahr 2002 auf den Markt. Die Gerste stammt aus der Schweiz, das Quellwasser aus dem Alpstein.
Die Macher des Säntis Malt haben uns liebenswürdigerweise zwei Tasting-Boxen mit vier ihrer feinen Tropfen zugestellt. Das «Whisky Degustations Set 4x4cl Säntis Malt» kostet 23 Franken. Enthalten sind:
- Edition Sigel
- Edition Himmelberg
- Edition Dreifaltigkeit
- Säntis Cream Edition Marwees (ein Likör)
Diese Editionen sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Vom Säntis Malt gibt es diverse limitierte Editionen sowie Einzelfassabfüllungen. Sportliche Naturen können auf dem Whiskytrek, der höchstgelegenen Whiskytour der Welt, ausserdem 26 weitere Säntis-Kreationen entdecken.
Doch wie schmeckt ein Appenzeller Malt? Ich will Euch nicht mehr länger auf die Folter spannen.
Edition Sigel

«Bei uns sind Sie dem Himmel ein Stück näher», wirbt die Alpgenossenschaft Alpsigel. Bringt mich auch der gleichnamige Säntis Malt dem Himmel ein Stück näher? In der Nase duftet er jedenfalls sehr verführerisch: süsses Malz, Holz, Karamell, Früchte und dezente Vanille- sowie Bieraromen. Im Mund ist er weich und süss (schon fast zu süss). Auch Holz, Karamell, Honig und etwas bierige Würze umschmeicheln den Gaumen. Dieser Whisky ist extrem süffig. Im eher kurzen Abgang hallt schüchtern Vanille nach. Die «Edition Sigel» ist ein ausgewogener Whisky, allerdings nicht allzu komplex und eher jung. Mir ist er etwas zu brav und zu geschliffen. Liebhaber von weichen, süssen und süffigen Whiskys machen hier aber nichts falsch. Prädikat: gut.
Edition Himmelberg

Weiter geht es zum Himmelberg. Auch er weiss mit himmlischem Duft zu verführen: Rosinen, Bier, Holz, süsses Malz, Banane, Sherry, Vanille und Eiche. Der Geruch ist komplexer als bei der «Edition Sigel». Das hat seinen Grund: Nach der Reifung in Bierfässern, darf dieser Malt zusätzlich noch in Weinfässern verweilen. Im Mund ist der «Himmelberg» weich und süss. Ich schmecke Holz, Hopfen, Karamell und etwas Würze. Der Abgang ist eher kurz, mit süssem Karamell. Die «Edition Himmelberg» ist ein lieblicher, süsser und trotz 43 Volumenprozent milder Whisky. Auch er ist extrem süffig. Mir fehlt es ein wenig an Komplexität. Die Süsse ist mir etwas zu viel. Prädikat: gut.
Edition Dreifaltigkeit

Ein Name wie «Dreifaltigkeit» lässt Grosses erwarten (Namensgeber sind laut Destillerie die «gleichnamigen drei imposanten Felsgipfel im Alpsteinmassiv zwischen dem Bogartenfirst und dem Widderalpstöck»). Dieser Whisky wird seinem Vorbild gerecht. Alles an ihm ist imposant; bereits die Stärke. Satte 52 Volumenprozent wirft er in die Waagschale. Das ist aber längst nicht alles. Die «Edition Dreifaltigkeit» fordert Nase und Gaumen heraus. Torf aus dem Appenzeller Hochmoor zusammen mit Buchen-, Eichen- und Apfelbaumholz geben ihm seine Rauchnoten – und was für welche: Starker, süsser Rauch wie von einem Lagerfeuer wabert einem entgegen. Hinzu kommen Erde, Pfeifentabak, Vanille und Kräuter. Im Mund ist er genauso provokant: wieder das Lagerfeuer und der Pfeifentabak sowie krautige Würze, Cervelat und Pfeffer, dazu Süsse. Trotz seiner Stärke ist er sehr weich. Im langen Abgang bleibt der Pfeifentabak. Rauchige Whiskys sind eine Kunst. Und Säntis Malt hat einen Treffer gelandet. Die mutigen Appenzeller versuchen nicht, die Schotten zu kopieren. Das geht auch nicht; bei uns fehlt das Meer, die salzige Luft, das schottische Torf. Stattdessen haben Sie den typischen Schweizer Rauch eingefangen: bräteln im Wald am Lagerfeuer. Trotz starkem Rauchgeruch ist er dank seiner Süsse sehr ausgewogen und trotz 52 Volumenprozent hervorragend trinkbar. Mit etwas Wasser wird er sogar noch besser. Prädikat: sehr gut.
Säntis Cream Edition Marwees

Ich bin kein Likör-Fan. Darum habe ich den «Säntis Cream Edition Marwees» meiner Frau zum Probieren gegeben. Schöner als sie könnte ich es bei einem so cremigem, süssen, Baileys-ähnlichen Likör nicht formulieren: «Nicht schlecht, aber es könnte einem werden.»
Wie Langatun gehört Säntis Malt zu den grossen Schweizer Whiskys. Die Appenzeller haben dank der Lagerung in Bierfässern einen Whisky mit ganz eigenem Charakter geschaffen. Fans von süssem, süffigen Malt kommen bei den beiden Editionen «Sigel» und «Himmelberg» auf ihre Kosten. Mir gefallen allerdings die komplexeren, fruchtigen, weniger süssen Malts von Langatun etwas besser. Dafür sagt mir der «Rauchige» von Säntis Malt wegen seines eigenen, speziellen Charakters mehr zu als die getorften Langatun-Whiskys. Wer etwas wagen möchte, sollte unbedingt einmal die «Edition Dreifaltigkeit» verkosten. Aber ich habe Euch gewarnt, dieser Whisky polarisiert:
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