Spirituosen sind ein bunter Haufen. Es gibt glasklare Wässerchen, bernsteinfarbene bis kaffeebraune Brände und die Smarties-farbigen Zeitgenossen. In der zweiten Gruppe tummelt sich der Adel; die edelsten und teuersten Schnäpse. Sie erhalten ihre Farbe von der Lagerung in Holzfässern. Holz macht aber mit Alkohol noch viel mehr – meist zum Guten … allerdings nicht immer.
Kommt Hochprozentiges aus einer Destille, ist es klar und rein wie ein Bergbach – egal ob der Grundstoff Getreide, Mais, Zuckerrohr oder Obst ist. Auch wenn man es gerne möchte: Niemand kann das frisch gebrannte Lebenswasser auf einen Schlag trinken (ausser vielleicht Gérard Depardieu. Sorry, der musste sein), also wird es gelagert. Das ist ohnehin sinnvoll; durch eine mehrmonatige Lagerung mit Luftaustausch verliert der frische, noch ungestüme Brand unangenehme Geschmacksnoten. Er wird runder und milder. Das kann in Metall-, Glas-, Ton- oder Holzgefässen geschehen. Doch allein bei der Lagerung in Holzgefässen kommt so richtig Magie ins Spiel. Das Destillat wird nicht nur trinkbarer, sondern erhält zusätzliche Geschmacksnoten und Komplexität. Denn Alkohol und Holz gehen eine ganz besondere Verbindung ein: Sie geben und sie nehmen.

Der Alkohol gibt Aromen ab. Einige zieht es nach draussen; sie wollen an die frische Luft, andere machen es sich im Holz gemütlich. Zu Beginn sind es hauptsächlich scharfe, bittere Noten, die verschwinden. Gleichzeitig verliert die Spirituose an Alkohol. Er verdunstet. Das wird Anteil der Engel oder Angels’ Share genannt. Je wärmer der Standort ist, desto schneller werden die Engel betrunken. Der Alkohol im Fass wird schwächer. Auch das schadet nicht: Ein Brand kommt meist mit 60 bis 80 Volumenprozent aus der Destille. Er muss vor dem Abfüllen in Flaschen ohnehin mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt werden.

Was bekommt der Fassbewohner? Viel Farbe und Aromen aus dem Holz; etwa Vanille und Karamell bei Eichenholz, wovon Whisky- und Cognac-Trinker so sehr schwärmen. Es findet eine Mazeration statt: Der Alkohol löst Farbteilchen, Aromen und weiter Inhaltsstoffe aus dem Holz – je länger er im Fass bleibt, desto mehr greift er ab.
Jetzt wird es knifflig: Holz ist nicht gleich Holz. Eiche hat eine andere Farbe und einen anderen Geschmack als Kastanie oder Kirschbaum. Es wird noch komplizierter: Eiche ist nicht gleich Eiche. Amerikanische Eiche gibt weniger Geschmacksstoffe ab als etwa französische Eiche, die als aromatischer gilt. Besonders exquisit soll die japanische Mizunara-Eiche sein, die jedoch schwierig zu verarbeiten und entsprechend teuer ist (nachzulesen im spannenden Buch «Spirits» von Joel Harrison und Neil Ridley). Es gibt auch Holzsorten, die das Destillat farblich nicht verändern, etwa die brasilianische Jequitibà rosa. Sie reinigt den Cachaça, erhält weitgehend den Geschmack und verändert die Farbe nicht (siehe «Die Welt der Spirituosen und Cocktail» von André Dominé).

Aber das wäre immer noch zu einfach: Es kommt auch darauf an, was sich vorher im Fass tummelte. Bei Bourbon stellt sich diese Frage nicht: Es dürfen nur neue Eichenfässer verwendet werden. Schottischer Whisky landet hingegen in gebrauchten Fässern, meist Ex-Bourbon-Fässer, aber auch in Sherry-Fässern, Portwein-Fässern – ja sogar mit früheren Rum-Fässern wird experimentiert. Wie bei Vormietern so üblich, bleibt immer etwas liegen. In diesem Fall die Aromen der vorherigen Spirituose, die der neue Mieter nur allzu gerne aufnimmt. Der Gebrauch älterer Fässer hat einen weiteren Vorteil: Die aufdringlichsten Holznoten sind ausgezogen, es dominieren mildere, komplexere Aromen.
Und da es bereits so schön kompliziert ist: Auch die Fassgrösse spielt eine Rolle. Je kleiner das Fass, desto mehr Farb- und Aromastoffe landen im Alkohol; es kommt mehr Holzfläche auf weniger Destillat. Bei Mini-Fässern mit wenigen Litern Volumen kann dies schnell unangenehm werden. Schon nach kurzer Zeit dominieren die Holzaromen so stark, dass der Schnaps eine untrinkbare braune Brühe wird. Darum kann man sich nicht einfach ein Holzfässchen kaufen, ein paar Liter Grappa einfüllen, einige Jahre warten und hoffen, dass daraus ein Gaumenschmeichler entsteht. Die bessere Variante wären Holzspäne, die man in die Flasche gibt. Leider fehlt in diesem Fall der Luftaustausch.

Kurz und gut: Holz ist eine riesige, aber auch komplexe Spielweise, um einem Destillat mehr Komplexität und Geschmack zu geben. Es braucht sehr viel Fingerspitzengefühl, um aus einem klaren Schnaps ein besseres Produkt zu zaubern. Die wichtigsten Faktoren sind die Holzsorte, das Alter eines Fasses, dessen Grösse und früherer Inhalt sowie die Lagerdauer.
Und Holz ist nicht die Lösung für alles. Die Formel: braune Farbe = besser, gilt nicht in jedem Fall. So trinkt man fruchtige und geschmackvolle Brände wie Williams, Kirsch oder auch Tequila wegen ihres Eigengeschmackes gerne klar. Hier können schon leichte Holznoten viel ruinieren. Ich finde einen klaren, eleganten Kirsch genauso schmackhaft wie einen edlen Cognac. Oder einen Mezcal wie den Beú Spirits Full Moon: Er ist samtig weich, fruchtig und langanhaltend, ganz ohne Fasslagerung.
Ausserdem: Mit braunen Spirituosen macht sich Geld, da sie als edler und komplexer gelten. Und wo es um Geld geht, ist oft Täuschung im Spiel. Beliebt ist etwa die Färbung mit Zuckerkulör (E150a). Wenige Tropfen reichen für ein wunderschönes Goldbraun. Viele irische und schottische Whisky-Produzenten sowie Cognac-Hersteller nutzen Zuckerkulör, um ihren Spirituosen eine dunklere, edler wirkende und konsistente Farbe zu geben. Geschmacklich hat das laut Blind-Tastings keine Auswirkungen, da es sich nur um eine winzige Farbstoffmenge handelt. Doch das Auge wird getäuscht. In der EU muss Zuckerkulör auf der Flasche deklariert werden; eine Internetrecherche reicht vor einem Kauf. Und es gibt glücklicherweise einige Brenner, die Stolz auf Destillate ganz ohne Farbzusätze sind. Empfehlen kann ich insbesondere den Cognac VSOP Pinard bei Humbel.

Wer sich für die Herstellung von Holzfässern interessiert. SWR hat diese sehr interessante Dokumentation auf YouTube veröffentlicht:
Kommentar verfassen