Entdeckungsreise Schweizer Absinth – Matter Spirits

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Verführerisch, geheimnisvoll … und etwas unheimlich: Das ist Absinth. Er hat seinen Ursprung wahrscheinlich im Kanton Neuenburg. Doch seit der Aufhebung des schweizerischen Verbots im Jahr 2005 wird er landesweit hergestellt; so auch im bernischen Kallnach. Dort brennt die Matter-Luginbühl AG nicht nur den prominenten Mansinthe, sondern viele weitere Rezepturen.

Marilyn Manson hat es geschafft: Er hat einen eigenen Absinth, und der ist erst noch sehr fein. Mir schmeckte er jedenfalls hervorragend, wie Ihr hier lesen könnt. Was viele nicht wissen: Der Mansinthe stammt aus der Schweiz, genauer aus dem bernischen Kallnach. Dort steht die Brennerei Matter-Luginbühl AG, die ihre ersten Gehversuche im Geschäft für geistige Getränke in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts unternahm. Sie startete mit Bitter-Aperitifs. Heute produziert die Matter-Luginbühl AG unter dem Namen Matter Spirits eine ganze Palette an Spirituosen – von Aperitifs über Liköre und Obstbrände bis zu Gin, Whisky und Absinth.

Der Mansinthe hat mich verzaubert
Der Mansinthe hat mich verzaubert

Absinth war in der Schweiz fast ein Jahrhundert – von 1910 bis 2005 – verboten. Im neuenburgischen Val-de-Travers, der Wiege des Absinths, kümmerte das niemanden. Dort wurde er weiterhin heimlich gebrannt. Als 2005 das Verbot fiel, gab es kein Halten mehr: Viele Schweizer Brennereien fingen an, Absinth herzustellen; darunter auch Matter-Lugginbühl. Das Spezielle an den Kallnacher Absinthen: Firmenbesitzer Oliver Matter hat sich auf die Reproduktion von alten Absinthrezepturen spezialisiert. Er verwendet hochwertige Zutaten und weder künstliche Farbstoffe noch Zucker. Gleichzeitig probiert er immer wieder neues aus, wie den Mansinthe oder den Absinth Fusion – eine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und dem Schweizer Molekularkoch Rolf Caviezel.

Firmenbesitzer Oliver Matter bei der Arbeit
Firmenbesitzer Oliver Matter bei der Arbeit

Ich liebe Absinth, er gehört zu meinen Lieblings-Spirits. Wenn dahinter zudem viel Kreativität und erst noch eine Schweizer Firma steckt, muss ich es wissen: Wie gut schmecken die Absinthe von Oliver Matter? (Dass viele Neuenburger Brände ausgezeichnet und einen Versuch wert sind, habe ich Euch bereits verraten). 

Der Wermutwolf liebt Absinth
Der Wermutwolf liebt Absinth

Oliver Matter war so lieb und schickte mir gleich sechs seiner edlen Tropfen. Lasst sie uns entkorken und zusammen entdecken.

Kallnacher Absinthe, 55 % 

Das Rezept für diesen Absinth hat der Firmengründer Ernst Luginbühl-Bögli laut Matter Spirits durch einen Tauschhandel mit einem Bauern aus dem Val-de-Travers erhalten. Für eine prämierte Simmentaler Kuh bekam er unter anderem eine alte Absinth-Rezeptur aus dem Val-de-Travers. Der Kallnacher Absinth wird über einem alten Brennhafen in einem einzigen Brennvorgang langsam destilliert. Oliver Matter verwendet Brennhäfen aus den 1920er-Jahren, die so modifiziert wurden, dass sie auf dem aktuellen Stand der Technik sind.

In der Nase rieche ich zuerst die typischen Absinth-Aromen: Wermut, Anis, Fenchel und Lakritze. Aber auch Honig sowie blumige und zitronig frische Noten betören mich. Der Duft erinnert an eine sommerliche Blumenwiese; er ist komplex, lieblich und verführerisch. Im Mund ist der Kallnacher Absinthe süss, aber auch leicht bitter und herb, mit etwas Schärfe. Dieser Absinth hat Komplexität und eine ausgezeichnete Balance. Das Mundgefühl ist weich, gleichzeitig aber auch prickelnd. Der lange Abgang besticht mit Süsse und Würze; er ist erfrischend und leicht bitter, mit Anis, Lakritze und Wermut. Dieser Absinth ist so komplex und abwechslungsreich wie eine wilde Blumenwiese. Prädikat: ausgezeichnet

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Absinthe Duplais Blanche «Retro Edition», 60 % 

Der Duplais Blanche wird nach einer französischen Rezeptur aus dem 19. Jahrhundert hergestellt. Auch hier verzaubern wieder Anis, Fenchel und Wermut die Nase – in perfekter Balance. Es ist ein krautig, milder Geschmack; nicht allzu tiefgründig, eher wie eine sanfte Berührung. Am Gaumen ist dieser Absinth sehr weich, süss und ausgewogen, mit Anis-, Wermut- und Fenchelnoten sowie wenig Würze. Der Abgang ist lange; zuerst süss, danach kommt eine leicht pfeffrige, herbe Würze, die sich über längere Zeit aufbaut und schön abklingt. Der Duplais Blanche ist lieblich und süss, aber nicht allzu komplex; so wie ein flüchtiger Kuss einer Fee … dennoch ein bezaubernder Kuss, den man geniesst und wieder spüren möchte. Prädikat: sehr gut

Eine Fee

Absinthe Duplais Verte, 68 % 

Auch dieser Absinth wird nach einer französischen Rezeptur aus dem 19. Jahrhundert hergestellt. Es ist ein grüner Absinth: Nach dem Brennen werden Kräuter im Brand eingelegt, die ihm zusätzlich Farbe und Geschmack geben. Der Duplais Verte duftet verführerisch süss. Ich rieche Anis, Fenchel und Wermut. Da ist aber auch eine zitronig-minzige Frische und etwas Erdig-Rostiges. Ein Kräutergarten im Glas. Im Mund gibt sich der Duplais Verte weich und zuerst süss, danach wird er schnell herb-bitter; aber nicht zu sehr, sondern auf gute Art, mit Lakritze und minziger Frische. Der lange Abgang ist süss-herb-bitter. Er hat eine leichte pfeffrige Schärfe, die sanft abklingt, das Bitter-Herbe bleibt länger. Doch die Balance stimmt. Dieser Absinth ist erfrischend wie ein Kräuterbonbon. Er besticht mit seinem sehr feinen, komplexen Duft. Der Geschmack im Mund entwickelt und ändert sich. Der Duplais Verte spielt mit Aromen und meinen Sinnen. Er ist so unwiderstehlich wie die Sirenen aus der Odyssee. Prädikat: ausgezeichnet

Bild einer Sirene

Absinthe Fusion, 68 % 

Ein spannendes Experiment: Beim Absinthe Fusion handelt es sich um eine historische Rezeptur, die wissenschaftlich umgesetzt wurde. Er ist laut Matter Spirits das Produkt einer internationalen Kooperation mit Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich.Leiter und Koordinator des Projekts war der Schweizer Molekularkoch Rolf Caviezel. Der Absinthe Fusion macht mit viel Wermutduft auf sich aufmerksam. Anis und Fenchel sitzen in der hinteren Reihe. Ich rieche zudem Lakritze, Erde, Rost und blumig Noten. Den Gaumen umschmeichelt er weich, aber mit sehr intensiven Kräuternoten. Er ist süss, aber da ist auch Bitterkeit, Würze und pfeffrige Schärfe. Der Abgang ist lange … zuerst süss mit Lakritze, danach kommen Würze, Bitterkeit und Schärfe. Diese bleiben am längsten hängen. Im Hals gibt sich der Fusion auch etwas rau und kratzig. Für mich ist dieser Absinth weniger zugänglich als die anderen. Er wirkt etwas ungeschliffen. Bitterkeit, Schärfe und Würze dominieren. Er ist kein Gentleman und keine Fee, sondern eher ein einfacher, bärbeissiger Typ, aber mit Herz. Vielleicht ein Zwerg oder Troll. Prädikat: gut

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Absinthe Twin Tec, 65 % 

Und noch ein aufregendes Experiment: Dieser Absinth entstand laut Oliver Matter aus einer Diskussion über Absinth und Harley-Bikes. Ziel war ein Twin-Tec-Absinth. Die Firma Twin Tec motzt Harley-Maschinen auf. Grundlage für diesen Absinth ist eine «aufgemotze» Rezeptur aus dem Jahre 1889. Dieser Absinth riecht süss … nach Vanille und Karamell. Auch fruchtige Noten finden die Nase. Hinzu kommen Wermut, Lakritze, Anis und Fenchel. Die vielen Duftnoten sind gut komponiert und spielen harmonisch miteinander. Im Mund ist der Twin Tec sehr weich und süss, mit Noten von Anis und Fenchel. Danach folgt eine leichte Bitterkeit und Würze. Auch der Wermut macht sich bemerkbar. Alles hält sich die Waage. Der lange Abgang überzeugt mit Süsse, leichter Bitterkeit und Würze. Anis, Fenchel und Lakritze hallen nach. Der Twin Tec ist ein eleganter, schöner Absinthe, aber mit der nötigen Wildheit, Kraft und Portion «Dreck» unter dem Chassis. Er hat tatsächlich etwas von einer aufgebohrten Harley. Prädikat: ausgezeichnet

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Fazit: für Feinschmecker und Entdecker

Matter Spirits macht nicht nur einen, sondern gleich eine ganze Reihe ausgezeichneter Absinths. Hier findet sich für jeden etwas: liebliche, klassische, moderne, herbe und rassige Exemplare. Und alle haben mir geschmeckt. Wer die Vielfalt und Möglichkeiten des Absinths entdecken möchte, dem kann ich eine Reise durchs Sortiment von Oliver Matter nur empfehlen. Es finden sich dort sogar noch einige interessante Tropfen, die ich bisher nicht probiert habe – etwa einen Absinth mit über 80 Volumenprozent.

Autor

  • Sascha Zäch

    In jedem steckt ein Wermutwolf. Mit ihm entdecke ich neue Geschmacks- und Geisteswelten. Ausserdem habe ich eine alchemistische Ader und stelle gerne eigene Zaubertränke her.

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