Die Schweiz brannte lichterloh!

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Gestern Samstag war es also wieder so weit: Fasnachtsbeginn! Haha, nein, natürlich meine ich den alljährlichen Destillerien-Event «Die Schweiz brennt!», zu dem wir hier kürzlich einen Vorbericht mit Tasting veröffentlicht hatten.

Es stellte sich die Frage, wohin wir am Veranstaltungstag selbst gehen werden. Für mich als Zürcher gschämig: In der Stadt Zürich machte rein gar niemand mit. Im Wallis, Tessin und Graubünden fast niemand.

Es sollte nicht allzu weit weg und möglich sein, mehrere Brennereien zu besuchen, ohne dabei jedes Mal eine halbe Weltreise zurücklegen zu müssen.

Wenn man sich nun die Karte der teilnehmenden Brennereien anschaut, war schnell klar, wohin der Wildwechsel führen würde: zum malerischen Vierwaldstättersee. Da der alkoholisierte Event seltsamerweise tagsüber stattfindet, also je nach dem von circa 10 Uhr morgens (was halt schon noch etwas früh ist, um sich einen hinter die Binde zu kippen) bis circa 17 Uhr abends (was normalerweise eher der Beginn der Cocktail Hour ist), und wir nicht in Stress verfallen wollten, haben wir uns für ein Maximum von drei Destillerien entschieden:

Zuerst zur Brennerei Stalder in Weggis,
anschliessend zum Sigrist Weingut Letten in Meggen,
und abschliessend zur Distillerie Studer, mitten in der Stadt Luzern

Wir beginnen also ländlich, verschieben dann in Richtung Agglomeration, und beschliessen den Ausflug in der urbanen Leuchtestadt.

Der Brennerei-Marathon beginnt!

Abfahrt nach 10 Uhr morgens, kamen wir um 11 Uhr in Weggis an. Dies ist der Ort, von wo aus mit einer Seilbahn der Rigi erreicht wird. Und PS: bei diesem Reiseziel empfehle ich, ins Kräuterhotel einzukehren. Ein wundervoller Ort, mit herrlichem Essen und tollen Drinks, v.a. erwähnenswert finde ich ihr hauseigener Gin Tonig – ein Hochgenuss! Wer unsere AGB’s gelesen hat, weiss: Wenn wir schwärmen, dann tun wir das von innen (vom Herzen), nicht von aussen (vom Portemonnaie von Geldgebern) her.

Obwohl noch Morgen ist, finden sich doch schon einige Besucher ein. Die Gastgeber haben sowohl drinnen wie auch draussen eindrücklich mit reichlich Leckereien, sowohl in flüssiger als auch essbarer Form, aufgedeckt.

Wir gehen aber zuerst gleich rein in die gute Brennstube, wo Xaver Stalder bereits einer Gruppe Interessierter am lebenden Objekt erklärt, wie seine tollen Produkte entstehen. Es werden viele Fragen gestellt. Obwohl an diesem Tag eher nasskaltes Hudelwetter herrscht, ist es in diesen Räumen natürlich immer schön warm. Wir hatten ausserdem Glück: Wann immer wir dislozierten, regnete es kaum.

Xaver Stalder erklärt geduldig alles Wissenswerte zur Brennkunst.

Als wir schliesslich im Aussenbereich zur Degustation schreiten, springt mein Herz vor Freude, als ich verschiedene Whiskys zur Probe erhalte, die bis zu acht Jahre lang gelagert wurden. In der Schweiz gibt es ja noch nicht sehr viele davon. Vor allem der 8-jährige Whisky aus Fass 3 ist ein Erlebnis, sehr gehaltvoll, langer Abgang, hervorragend!

Auch der «Wäggiser Äntebüsi» (33%, sehr süffig) und der Rigi Bergkirsch (41%, schön voller Mandelgeschmack) munden ausgezeichnet. Was an diesem Hof auffällt, ist die grosse Familie, welche überall auf die eine oder andere Art mithilft. Bei der Bar steht ein grosses Kässeli, wo man sich an all diesen Gaumenfreuden finanziell beteiligen kann. Naturgemäss decken solche Spenden kaum die getätigten Ausgaben. Ich hoffe, dass sich viele Neugierige bei Stalder über den Tag hinweg eingefunden haben, damit sich der Anlass trotzdem auszahlt. Es wäre sehr verdient.

Weiter geht es nach Meggen, zum Sigrist Weingut Letten, nur etwa 15 Minuten von Weggis entfernt. Man sieht auf den ersten Blick, hier wirkt alles frisch, neu. Die ganze Anlage ist ungefähr vier Jahre alt und hochmodern ausgerüstet.

Wir werden von Conny und Kari Sigirist empfangen und bestens unterhalten. Brennmeister Kari zeigt uns alles ganz genau, von den Rohstoffbehältern, zum Brennvorgang, dem Fasslager, der computergesteuerten Energieversorgung und mehr.

Kari zeigt wie es geht.

Anschliessend bewundern wir den atemberaubenden Ausblick über See und Berge von der Terrasse aus, bevor wir im Café-/Barbereich zu den Verkostungen schreiten. Ich interessiere mich zuerst für den im Lohnbrand hergestellten Cannabis-Gin, da ich den herb-krautig-grasigen Geschmack des Hanfs gerne mag. Zuhause habe ich einen Cannabis-Absinth, der mir sehr gut schmeckt, und so war ich nun auf die Gin-Variante gespannt. Ich wurde nicht enttäuscht und ersteigerte mir davon eine Flasche. Ebenso wie vom Cognac, äh Pardon: Brandy. 10 Jahre im Eichen-Barriquefass gelagert, begeistert er mit Komplexität und einem langen Abgang.

In diesem Tank lagert der Cannabis-Gin noch mit einem wesentlich höheren Alkoholgehalt als später in der Flasche … (74% versus 42%)

Was immer äusserst interessant ist, sind Kostproben von verschiedenen Produkten derselben Getränkegattung. Conny schenkt mir drei verschiedene Grappas, äh Pardon: Marcs ein. Zuerst den fruchtig-klassischen 1-jährigen aus dem Stahltank, gefolgt vom süsseren 3-jährigen (ebenfalls Stahltank), bevor dann mit dem 5-jährigen «Sélection l’Amour» aus dem Eichen-Barriquefass das Marc-Tasting seinen Höhepunkt erreicht. Obwohl ich nie ein grosser Grappa-Konsument war, staune ich ob der hohen Kunst, welche mir hier serviert wird. Alle drei werden mit 40 Volumenprozenten abgefüllt.

Danke für die herzliche Bewirtung, Conny!

Wir beenden unsere Odyssee nach weiteren ca. 20 Minuten wie erwähnt in Luzern, unweit der Kapellbrücke, bei der Distillerie Studer. Im Vorbericht haben wir ihren Dry Gin und den Caramel-Likör probiert. Die Caramel-Zeltli aus der Confiserie Studer können hier komplementär versucht werden.

Der Brennpunkt an der Gerbergasse

Schon von Weitem sieht man die Feuersäule ihres Brennpunkts. Wir versuchen hier ihren beerigen Negroni und verkosten das Gin-Fondue. Dieses war so lecker, dass wir kurzerhand beschlossen, zum frühen Znacht ein Fondue im bekannten Stadtkeller essen zu gehen.

Ein Schaufenster auf dem Weg zur Toilette

Ein echter Wermutwolf wählt natürlich selbst nach einem so hochprozentigen Tag das Fondue mit Kirsch-Beigabe, welches eine schöne Würze verleiht. Und das hauseigene Bier, mit Pilatus-Quellwasser gebraut, gefällt ebenfalls.

Ich lasse den Tag bierselig Revue passieren und realisiere: Trotz allen leckeren Verkostungen sind es die Gespräche, welche den Tag speziell gemacht haben; über die Schwierigkeiten mit Obst-Schädlingen, Ernteprozesse, wann man sich auf die Technik und wann doch eher auf die guten, alten menschlichen Sensoren verlässt, über die Wege, welche die Menschen zurückgelegt haben, Familienanekdoten, wo man mit gesetzlichen Richtlinien zu kämpfen hat, die verschiedenen möglichen Arten die Alkoholsteuern zu entrichten, Küfereien, und vieles mehr.

Ich werde mir bewusst, dass ich vor Kurzem hier in Luzern bereits einen tollen Tag verbringen durfte, primär um das sehr sympathische Unternehmer-Paar von Bierliebe (& Friends) zu treffen. Bei diesem Artikel, der in Kürze erscheinen wird, gibt es dann wieder flüssige Kostbarkeiten zu gewinnen. Also stay tuned!

Nur ungefähr 20 Autominuten von hier entfernt, fand ebenfalls gestern, eben dem 11.11. ein bizarres Traditionsritual in Sursee statt, wovon die klassischen Newsmedien natürlich gerne berichten: Die Gansabhauet, bei dem versucht wird, einer toten Gans mit einem stumpfen Säbel den Kopf abzuschlagen … Ich denke aber, dass ich mich für den besseren Anlass entschieden hatte.

Ich erlebte heute einmal mehr, in welcher hohen Qualität die hiesigen Destillerien produzieren, was in mir eine Mischung aus Stolz, Genugtuung und Dankbarkeit hinterlässt. In die Welt der Brennereien einzutauchen ist immer wieder faszinierend, lehrreich, spannend. Von mir aus könnte dieser Tag jeden Monat stattfinden …

Autor

  • Daniel Frey

    Ich habe Freude am Schreiben. Und am Trinken. Und am Schreiben, während ich trinke. Während des Vollmondes oder während des Trinkens verwandle ich mich in meine wölfische Urnatur.

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