TrinkGeschichten – Otto von Bismarcks Diät für ein langes Leben

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Ein Dutzend Eier pro Tag, Unmengen an Fleisch, Süssigkeiten und literweise Alkohol – heutige Gesundheitsapostel würden händeringend das Weite suchen. Doch Deutschlands erster Reichskanzler Otto von Bismarck konnte und wollte nicht masshalten (ich meine nicht das Biermass, das hielt er gerne). Dennoch wurde er stolze 83 Jahre alt … und wirft die beängstigende Frage auf: Wie nüchtern muss ein Staatsoberhaupt sein?

Momentan lese ich das empfehlenswerte Buch «Im Rausch der Jahrhunderte: Alkohol macht Geschichte» von Jochen Oppermann. Dabei ist mir erst bewusst geworden, wie viele bedeutende Staatsmänner, Politiker und Diplomaten eigentlich ständig einen sitzen hatten (und haben?). Ich meine damit nicht ein Gläschen Rotwein zum Mittagessen oder ein Feierabendbierchen; die haben so richtig gebechert … so richtig, richtig … literweise … selbst ein Wermutwolf und Gérard Depardieu würden grosse Augen machen. Napoleon war alles andere als ein Chorknabe, von Churchill müssen wir gar nicht erst sprechen (werden wir aber noch in einer unserer «TrinkGeschichten-Episoden») und die Eskapaden von Boris Jelzin habt Ihr vielleicht noch selbst erlebt.

Auch im Deutschen Bundestag ging es noch in jüngster Vergangenheit feuchtfröhlich zu und her:

Selbst bei heutigen Politikerinnen und Politikern bin ich mir nicht immer ganz so sicher …

Einer, bei dem wir allerdings mit Sicherheit wissen, dass er dem Hochprozentigen gerne und reichlich zusprach, ist Otto von Bismarck (1815 – 1898); eine der prägenden Figuren des 19. Jahrhunderts. Er führte die Einigung der deutschen Teilstaaten herbei und wurde 1871 der erste Reichskanzler des neuen Deutschen Reiches. Nicht nur politisch war er ein Schwergewicht, sondern auch beim Essen und Trinken.

Otto von Bismarck; hier als Wermutwolf im Schafspelz. Quelle: Wikipedia.com
Otto von Bismarck; hier als Wermutwolf im Schafspelz. Quelle: Wikipedia.com

Schon als Student zog er lieber um die Häuser, als sich in Vorlesungen zu langweilen. Laut dem Buch von Jochen Oppermann «erwarb sich Bismarck in zweifacher Hinsicht einen besonderen Ruf in dieser Zeit: Erstens als ‹Unverwundbarer›, da er in drei Semestern 25 Mensuren [traditioneller Fechtkampf; Anmerkung der Redaktion] ausfocht und bei diesem studentischen Fechtkampf nur ein einziges Mal an der Nase verwundet wurde; und zweitens, weil er jeden unter den Tisch trank.» Er habe im Rausch Strassenlaternen zertrümmert und schoss einfach in die Decke, wenn er etwas von seinem Bediensteten wollte, weiss der Norddeutsche Rundfunk zu berichten.

Wie Fahrradfahren verlernt man auch das Trinken nicht. Als Bismarck den elterlichen Gutshof übernahm, hielt er seinen Lebenswandel bei. Dort konnte er seinen Durst und Hunger stillen, anstatt sich in einer biederen Anwaltskanzlei abzurackern. «Für Bismarck war die Übernahme des Gutes Kniephof, trotz des damit verbundenen Todes der Mutter, ein Glücksfall. Immerhin hatte er eine angesehene juristische Beamtenlaufbahn leichtfertig weggeworfen und sich dank seiner Trinkerei, der Spielerei und der Damenwelt, der er sich gerne als spendabler Junkersohn präsentierte, hoch verschuldet. Dass er aber völlig von seinen Gewohnheiten liess, war nicht wirklich zu erwarten. Der Name ‹Kniephof› wurde vom Volksmund gar in ‹Kneiphof› umgewandelt und es kursierten die tollsten Geschichten», schreibt Jochen Oppermann. Gemäss NDR gewann Bismarck bei den benachbarten Gutsbesitzern rasch an Ansehen, weil er an jeder Jagd, jedem Fest, jeder Theateraufführung teilnahm, auch wenn er Dutzende Kilometer dafür reiten musste. «Bald war er als der ‹tolle Bismarck› bekannt, auch, weil er seine Gäste mit ‹freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch trinken› konnte, wie er später notierte.»

Das Landleben kann so schön sein

Als er schliesslich in der Politik Karriere machte, benötigte er den Alkohol wohl noch mehr. Zu einem Kongress im Jahre 1878 zur Befriedung einer schweren Balkankrise meinte Bismarck: «Ich schlief selten vor sechs, oft auch erst um acht Uhr morgens einige Stunden, war dann bis zwölf für niemanden zu sprechen, und in welcher Verfassung ich dann für die Sitzungen war, können Sie sich denken. Mein Gehirn war eine gallertartige, unzusammenhängende Masse. Ehe ich in den Kongress ging, trank ich zwei bis drei Biergläser allerstärksten Portweines, um das Blut ordentlich in Wallung zu bringen – ich wäre sonst ganz unfähig gewesen zu präsidieren.» So lassen sich auch Entscheidungen von grosser Tragweite treffen …

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Laut Jochen Oppermann gibt es Schilderungen von Zeitzeugen zu den Ess- und Trinkgewohnheiten des Kanzlers: «In kurzer Zeit fanden so beispielsweise Heringe, Süssigkeiten, Nüsse, Würste und Braten den Weg in seinen Magen, heruntergespült mit zwei bis drei Flaschen Rotwein oder Champagner. Und dies waren nur die Zwischenmahlzeiten! Zur Hauptmahlzeit, so erzählte man sich, habe er ganze Truthähne verspeist und dazu gerne eine Flasche Cognac getrunken. So verwundert es nicht, dass der Name ‹Frascati› des Gästehauses in Friedrichsruh in ‹Fresskate› umgedichtet wurde … die Folge war ein alsbald auftauchendes, gefährliches Übergewicht. So brachte Bismarck Ende der 1870er-Jahre stolze 123 Kilogramm auf die Waage.» Täglich soll Bismarck bis ins hohe Alter zwölf Eier gefrühstückt haben. Zum Tagessoll zählten auch fünf Flaschen Bier, zwei Flaschen Wein und immer wieder harter Alkohol. 

Wenn Ihr also wieder mal ein schlechtes Gewissen wegen einer durchzechten Nacht – oder Gott bewahre – einem Glas Wein unter der Woche habt, denkt an die grossen Staatsoberhäupter. Ihr seid in guter Gesellschaft.

Autor

  • Sascha Zäch

    In jedem steckt ein Wermutwolf. Mit ihm entdecke ich neue Geschmacks- und Geisteswelten. Ausserdem habe ich eine alchemistische Ader und stelle gerne eigene Zaubertränke her.

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