Bei Whisky denken die meisten an Schottland, Irland, die USA und vielleicht Japan. Doch für das goldene Lebenswasser muss man nicht so weit reisen; die kleine Schweiz kann Whisky ganz gross. Entdeckt mit uns die besten Schweizer Abfüllungen. Den Start macht die Langatun Distillery aus Aarwangen im Kanton Bern.
Es ist erstaunlich: In der Schweiz darf Whisky erst seit 1999 hergestellt werden. Ganze 60 Jahre lang war es hier verboten, Getreide und Kartoffeln zu destillieren. Die Schweizer Regierung fasste diesen Beschluss während des Zweiten Weltkriegs, um eine Nahrungsmittelknappheit zu verhindern. Seltsamerweise fiel das Brauen von Bier nicht darunter … oder zum Glück: Denn wo Bier gebraut wird, ist Whisky nicht weit. Für beides braucht es Gerstenmalz. Und so fasste Braumeister und Langatun-Gründer Hans Baumberger III im Jahr 2005 den Entschluss, einen Schweizer Whisky herzustellen. Ein echter Whisky muss mindestens drei Jahre im Holzfass reifen (dazu interessant unser Wissens-Artikel zu «Holz»). Der erste Langatun-Whisky, der «Olde Deer», kam also 2008 auf die Welt (die ganze spannende Geschichte lest Ihr hier).

Seit damals hat sich Langatun einen Namen gemacht – und was für einen: Der Whiskykönig Jim Murray hat die Destillate aus Aarwangen in seiner «Whisky Bible» mehrmals geadelt und im Standardwerk «Malt Whisky» von Michael Jackson heimste der goldene Nektar aus dem Kanton Bern Bestnoten ein. Doch ein Wermutwolf lässt sich von Koryphäen nicht einschüchtern und bildet sich sein eigenes Urteil. Ausserdem haben wir einige Whiskys probiert, die weder bei Jim Murray noch in «Malt Whisky» zu finden sind; die sympathischen Berner haben uns freundlicherweise eine Tasting-Box mit fünf ihrer edlen Tropfen zugeschickt. Das «Langatun – Whisky – Geschenkset» mit 5 × 5 cl gibts für 42 Franken. Enthalten sind:
- Old Deer – Classic Whisky
- Old Crow – Peated Whisky
- Old Wolf – Smoky Whisky
- Old Woodpecker – Organic Whisky
- Jacob’s Dram
Ihr seht, Langatun bietet mittlerweile einen ganzen Tierpark an Whiskys an. Im Shop unter langatun.ch findet Ihr noch einiges mehr: etwa diverse Spezialabfüllungen sowie ältere Tropfen, die über zehn Jahre im Fass gereift sind. Diese zählen zu den ältesten Schweizer Whiskys (Ihr wisst: das Verbot bis 1999). Die fünf Whiskys aus der Tasting-Box geben aber bereits einen ausgezeichneten Überblick über den bevorzugten Stil von Langatun: süss-fruchtig, komplex und weich. Einen Versuch wert sind alle, doch bei meinem Tasting habe ich ein paar Lieblingstiere entdeckt (und es ist leider nicht der Wolf).
Old Deer

Der «Alte Hirsch» war Langatuns erster Whisky und bleibt einer ihrer besten. So mächtig wie der König der Wälder prangt er mit seinen 46 Volumenprozenten im Glas (es gibt auch eine Version mit 40 und eine mit 59,7 %). Den Aufenthalt in Sherry- und Chardonnay-Fässern haben ihn verführerisch parfümiert: fruchtig-süsses Malz, Rosinen, Eichenholz, Karamell, Vanille, Schokolade, blumige Noten. Was so gut riecht, muss auch gut schmecken. Und das tut der «Old Deer». Im Mund ist er weich und süss. Man nimmt Eichenholz, wenig Vanille, etwas mehr Rosinen und Karamell wahr. Im langanhaltenden Abgang besticht er durch Süsse, Frucht und leichte Würze. Für mich kann es der «Old Deer» problemlos mit Schotten aus der Speyside wie einem 12-jährigen Glenfarclas aufnehmen, übertrumpft diesen sogar. Seine Jugend ist zwar spürbar («Old» ist er nur dem Namen nach), die macht er aber durch seine Vielschichtigkeit und Komplexität mehr als wett. Und die 46 Volumenprozente verleihen ihm den perfekten Kick, ohne zu überwältigen. Prädikat: ausgezeichnet.
Old Crow

Im Keltischen ist die Krähe ein Symbol für die Verbindung zwischen zwei Welten. Das passt: Denn mit dem «Old Crow» vermählt Langatun seinen fruchtigen Stil mit Torfrauch. Das Gerstenmalz für diesen Whisky wird mit Torf getrocknet und geräuchert. Der erste Eindruck ist einwandfrei: In der Nase rieche ich viel Karamell, angenehmen, nicht zu aufdringlichen Rauch, Rosinen, Holz, Schokolade und ein wenig Vanille. Bleibt das Glas ein wenig stehen, verflüchtigt sich der Rauch allerdings. Im Mund ist der Torfrauch leicht wahrnehmbar, stärker dominieren Karamell, altes Holz, Rosinen. Auch etwas dunkle Schokolade schmecke ich sowie würzige und leicht bittere Noten. In der Nase finde ich diesen Whisky süsser und harmonischer als im Mund. Mir fehlt die perfekte Balance zwischen Frucht, Süsse, Rauch und Würze. Der Abgang ist weich, mittellang, etwas rauchig und würzig. Der «Hirsch» sagt mir eindeutig mehr zu als die «Krähe», und das liegt nicht am Rauch. Denn ich mag Whiskys wie Highland Parks zwölfjährigen, den Ardbeg 10 oder den Lagavulin 16. Aber sie alle legen einen besseren Flug hin als die «Alte Krähe». Prädikat: gut.
Old Wolf

Wer das Wort «Wolf» im Namen trägt, muss überragend sein. Okay, das stimmt leider nicht. Ich sage nur «Wolfgang Petry».
Aber zurück zum Thema: Der «Old Wolf» ist Langatuns zweiter rauchiger Whisky. Im Gegensatz zum «Old Crow» wird hier ein getorfter Whisky mit ungetorften vermählt. Mir ist der Rauchgeschmack in der Nase zu dezent. Er kommt neben den leichten Frucht- und Eichenholznoten zu wenig zur Geltung. Auch im Mund traut sich der Rauch kaum hervor. Ich schmecke Holz, Rosinen, Kiesel, gepaart mit Würze und leichter Bitterkeit. Wie beim «Old Crow» fehlt mir die Balance, welche die besten rauchigen Schotten bieten. Der Abgang ist würzig, etwas bitter, leicht fruchtig und mittellang. Von den zwei rauchigen Langatun-Whiskys finde ich den «Old Crow» besser als den «Old Wolf. Prädikat: ordentlich.
Old Woodpecker

Mit dem «Old Woodpecker» hat Langatun auch einen Bio-Whisky im Sortiment. Die Gerste stammt aus kontrolliert biologischem Anbau. Auf Rauch wird hier verzichtet. Das macht den «Specht» aber nicht weniger interessant: In der Nase rieche ich Karamell, Vanille, Eichenholz, Trauben, Schokolade und grüne Pflanzen. Den Mund erfüllt der süsse Geschmack von Rosinen, Holz, Karamell und Vanille. Der Abgang ist mittellang, mit Karamell, Vanille, Holz und guter Würze. Ein fruchtiger, harmonischer Whisky mit Charakter. Prädikat: sehr gut.
Jacob’s Dram

Der letzte Whisky im Bunde trägt keinen Tiernamen. Er ist dem Gründer der Langatun-Destillateuren-Dynastie gewidmet: Jakob Baumberger. Abgefüllt wird Jacob’s Dram mit 49,12 Volumenprozent. Wieso die seltsame Zahl? 4912 ist die Postleitzahl von Aarwangen. Die Macher von Langatun haben Humor – und Können. Den Jacob’s Dram ist ein wahrer Genuss. In der Nase schmecke ich Rosinen, Schokolade, Rotwein, Holz und Vanille, und zwar in so einer Harmonie, dass ich an diesem Whisky stundenlang riechen könnte. Das allein macht schon glücklich. Aber Whisky ist zum Trinken da. Im Mund ist er süss, mit einer perfekten Würzigkeit. Ich schmecke Rotwein, Schokolade und Holz. Einem solchen starken Whisky tun zudem ein paar Tropfen Wasser gut. Trotz seiner Stärke ist er aber sehr weich im Abgang, mit feinen Noten von Schokolade und Rotwein, die lange anhalten. Jacob’s Dram ist komplex, vielschichtig, harmonisch – und einfach nur gut. Prädikat: ausgezeichnet.
Langatun beweist: Schweizer können Whisky. Die Berner sind im Bereich des fruchtigen, süssen und weichen Gerstennektars Meisterklasse. Bei den torfig-rauchigen Varianten fehlt mir noch die optimale Balance, aber bei dem Können von Langatun bezweifle ich nicht, dass sie diese in den nächsten Jahren erreichen werden.

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