Wolfsschule – Goethe

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Gedichte müssen weder langweilig noch weltfremd sein; denn die meisten Poeten sind es auch nicht. Der Wermutwolf zeigt die wölfische, nur allzu menschliche Seite der grossen Wortvirtuosen. Den Anfang macht Goethe – der wie wir gerne trank und über Alkohol schrieb.

Versprochen: Beim Wermutwolf schlaft Ihr nicht auf der Schulbank ein. Wir werden Euch weder mit Versmassen noch seitenlangen Balladen piesaken. Auch Hausaufgaben gibt es keine – oder fast keine. Nur eine: Schenkt Euch ein Glas Eures Lieblingsweins ein und geniesst die folgenden Zeilen.

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Ihr werdet erfahren, dass viele der grossen Dichterinnen und Dichter ganz und gar nicht die in anderen Sphären schwebenden, moralisch-überlegenen Lichtgestalten waren, wie uns der Deutschunterricht oft weiss machen will. Vielmehr sprachen und sprechen viele Wortschmiede gerne dem bewusstseinserweiternden Traubensaft und anderen Alkoholika zu; so auch der deutsche Sprachtitan Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Er soll täglich zwei bis drei Liter Wein vertilgt haben, was man ihm anscheinend nicht anmerkte … oder nur manchmal: «Neulich habe ich einen Schmerz gehabt. Goethe kam von Berka, einige Gläser Punsch und die Frühlingsluft nahmen ihm alle Besinnung. Ich sah ihn in einem furchtbaren Zustande. Nie werde ich es vergessen», schrieb Adele von Schopenhauer am 2. April 1819 in ihr Tagebuch.

Auch Goethe war ein Wermutwolf. Quelle: Wikipedia
Auch Goethe war ein Wermutwolf. Quelle: Wikipedia

Kein Wunder taucht das Thema Alkohol immer wieder in den Werken von Goethe auf. Anders als Frau von Schopenhauer schrieb er aber vor allem über die positiven Seiten vergorener Getränke, vornehmlich des Weins. 

So sagt der wandernde Mönch Martin zu Götz von Berlichingen im gleichnamigen Drama

Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neugeboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu Eurem Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

Wein macht Dich zum Supermann
Wein macht Dich zum Supermann

Wie geniesst man seinen feinen Tropfen? Am besten allein, wenn man seinen Geist auf Wanderschaft schicken und völlig frei sein möchte. Goethe schreibt im Kapitel «Saki Nameh: Das Schenkenbuch» in seiner Gedichtsammlung «West-östlicher Divan» (im «Schenkenbuch» finden sich übrigens noch weitere fantastische Gedichte rund ums Trinken):

Sitz ich allein,
Wo kann ich besser sein?
Meinen Wein Trink ich allein;
Und niemand setzt mir Schranken;
Ich hab so meine eignen Gedanken.

Diese Meinung vertritt Goethe auch im Gedichtzyklus «Chinesisch-Deutsche Tages- und Jahreszeiten» – und wer möchte diesem Giganten der deutschen Sprache schon widersprechen:

Die stille Freude wollt ihr stören?
Laßt mich bei meinem Becher Wein!
Mit andern kann man sich belehren,
begeistert wird man nur allein.

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Allein lässt Wein Dich fliegen und neue Ufer entdecken. In der Gemeinschaft fördert er Geselligkeit, Freundschaft, Brüderlichkeit und Liebe. Darüber hat Goethe im Jahr 1810 eines der bekanntesten Trinklieder zum Geburtstag der preussischen Königin Luise von Mecklenburg-Strelitz geschrieben, das nur drei Jahre später auch von Maximilian Eberwein (dieser Name 🙂) vertont wurde: «Ergo bibamus!» (Also lasst uns trinken!).

Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun,
Drum, Brüderchen, Ergo bibamus.
Die Gläser sie klingen, Gespräche sie ruhn,
Beherziget: Ergo bibamus.
Das heißt noch ein, altes, ein tüchtiges Wort,
Es passet zum ersten und passet so fort,
Und schallet ein Echo vom festlichen Ort,
Ein herrliches Ergo bibamus.

Ich hatte mein freundliches Liebchen gesehn,
Da dacht ich mir: Ergo bibamus.
Und nahte mich traulich, da ließ sie mich stehn;
Ich half mir und dachte: Bibamus.
Und wenn sie versöhnet euch herzet und küßt
Und wenn ihr das Herzen und Küssen vermißt,
So bleibet nur, bis ihr was Besseres wißt,
Beim tröstlichen Ergo bibamus.

Mich ruft das Geschick von den Freunden hinweg;
Ihr Redlichen! Ergo bibamus.
Ich scheide von hinnen mit leichtem Gepäck,
Drum doppeltes Ergo bibamus.
Und was auch der Filz von dem Leibe sich schmorgt,
So bleibt für den Heitern doch immer gesorgt,
Weil immer dem Frohen der Fröhliche borgt;
Drum, Brüderchen! Ergo bibamus.

Was sollen wir sagen zum heutigen Tag?
Ich dächte nur: Ergo bibamus.
Er ist nun einmal von besonderem Schlag,
Drum immer aufs neue: Bibamus.
Er führet die Freude durchs offene Tor,
Es glänzen die Wolken, es teilt sich der Flor,
Da leuchtet ein Bildchen, ein göttliches, vor;
Wir klingen und singen: Bibamus.

Und weil’s so schön ist, zwei sehens- und hörenswerte Variationen:

Die Schulglocke läutet. Unterricht beendet: Ergo bibamus!

Oder sagen wir’s mit Alice Cooper:

Autor

  • Sascha Zäch

    In jedem steckt ein Wermutwolf. Mit ihm entdecke ich neue Geschmacks- und Geisteswelten. Ausserdem habe ich eine alchemistische Ader und stelle gerne eigene Zaubertränke her.

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