Appenzeller, Chartreuse, Jägermeister – diese Kräuterliköre sind mir zu süss. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Kräuterschnaps ohne Zucker gemacht … und bin fündig geworden. Er heisst Underberg, kommt aus Deutschland und enthält «Kräuter, Alkohol, Wasser und sonst nichts». Wird er mein Herz erobern?
Wie der französische Chartreuse gibt auch der Underberg seine inneren Werte nicht preis. Seine Rezeptur kennen nur fünf «Geheimnisträger». Ob er so viele Kräuter wie der Chartreuse (130 sollen es sein) beinhaltet, verraten die deutschen Kräutermagier nicht. Doch so viel ist bekannt: Der Underberg ist im Herzen eigentlich kein Deutscher, sondern ein Weltenbummler; sein Geschmack verleihen ihm Pflanzen aus 43 Ländern. Weder Farbstoffe noch Zucker dürfen ihn berühren – nur Kräuter, Wasser und Alkohol. Hergestellt wird er seit 1846. Das fertige Kräuterelixier reift in Fässern aus slowenischer Eiche, bevor es in kleine 2-cl-Fläschchen abgefüllt wird. Äusserlich gibt sich der Underberg ebenfalls zugeknöpft: Die Portionenflaschen sind in braunes Papier eingewickelt.

Laut den Machern «hält das Strohpapier den Flaschenhals hygienisch rein und schützt den Kräuter-Digestif vor Lichteinflüssen». Warum die kleine Flasche? Sie wurde 1949 eingeführt, da im Nachkriegsdeutschland viele sehr arm waren; ein 2-cl-Fläschchen konnten sich allerdings die meisten leisten (auch heute ist er mit Fr. 4.50 für drei Flaschen erschwinglich).
Mehr als eine kleine Flasche braucht es aber auch nicht, denn der Underberg ist mit 44 Volumenprozent alles andere als ein Schwächling. Zudem: Er ist ein Magenbitter, «Verdauerli» oder im heutigen Jargon Kräuter-Digestif; den kann man nur bei akutem Geschmacksverlust glasweise kippen. Auch wenn der Darsteller in der Werbung aus den 1950er-Jahren keine Miene beim Trinken verzieht und sein Dauergrinsen behält … und ihn vor dem Essen und nicht nach dem Essen zu sich nimmt.
Aber damals war man nicht so zimperlich wie heute. Das Motto lautete «Täglich Underberg und Du fühlst Dich wohl» … am besten vor und nach dem Essen.
Bei schlechtem Schlaf ebenfalls.
Oder im Zug; also einfach immer und überall.
Auch in den 1970er-Jahren war es so, dass der Underberg einem «jeden Tag über den Berg hilft».
Und weil die Ohrwurmmelodie (denkt Ihr auch an «Frölein, heit dir mis Hündli gseh?») so schön ist, gleich nochmals:
Die neuere Werbung ist leider nichtssagend: Werden da Instrumente, Pauschalreisen, Kopfhörer … oder was eigentlich angepriesen? Passt aber gut in die aktuelle «Keine Aussage ist die beste Aussage»-Zeit. Wegen der Altersbeschränkung gibts die nur direkt hier bei YouTube.
Doch wir vom Wermutwolf haben eine Meinung, sagen diese und stehen dazu. Darum … Trommelwirbel … mein erstes Mal Underberg.
Die Flasche ist schnell entblättert und verströmt nach dem Öffnen einen starken Duft nach Nelken. Ausserdem rieche ich Anis und Zimt, gepaart mit Süsse. Ich denke sofort an Schmorbraten, Kartoffelstock und braune Sosse … an Herbst, Winter und Weihnachten. Getrunken wird er laut Herstellern bei Zimmertemperatur und auf ex; also runter damit. Im Mund bricht die Hölle los: Der Underberg ist bitter, und ich meine damit: verdammt bitter.
Es dominiert der Nelkengeschmack, Süsse spüre ich keine; nur Schärfe und Bitterkeit. Er riecht besser, als er sich trinkt – obwohl ich kein Fan von Bratensosse im Glas bin. Im Abgang spüre ich das Brennen der 44 Volumenprozent, weich ist der Underberg nicht; Nelke und Bitterkeit hängen länger als ich mir wünsche auf der Zunge. Mein Urteil:
Ich bin froh, dass ich keine Magenprobleme habe und auch ohne Underberg tagtäglich über den Berg komme. Schade nur, dass ich nie eine der Prämien wie einen Underberg-Schlüsselanhänger, eine Nostalgie-Blechkarte oder den tollen Underberg-Gurt bekommen werde; die gibt es nämlich fürs Sammeln und Einschicken der Plastikdeckel.

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