Zaubertrank – Glühwein

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Vergesst den klebrig-süssen Sirup, der auf vielen Weihnachtsmärkten als Glühwein ausgeschenkt wird. Wir nehmen Euch mit auf eine Reise durch Zeit und Raum, um nach Rezepten für richtig guten Glühwein zu forschen.

Adventszeit ist Glühweinzeit. Der warme Gewürzwein sorgt nicht nur für Stimmung, sondern hat weitere positive Eigenschaften. Die liechtensteinische Gesundheitskasse meint: «Glühwein beugt – in Massen getrunken – Krankheiten wie Erkältungen und viralen Infektionen der Lunge vor. Das liegt zum einen an der antiviralen Wirkung der im Wein enthaltenen Tannine und zum anderen an der antiviralen und antibakteriellen Wirkung der Nelken.» Also hoch die Tassen und runter damit …

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Leider haben viele Weihnachtsmärkte etwas missverstanden: Glühwein ist kein klebrig-süsser Hustensirup, sondern ein schmackhafter, stärkender und wärmender Trunk. Das wussten bereits die alten Ägypter. Auch sie mischten Gewürze und Kräuter in ihren Wein. Das verbessert nicht nur den Geschmack, sondern der Alkohol löst die Wirkstoffe aus den Ingredienzien. Laut Forschern der «University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology» in Philadelphia vermählten die Ägypter unter anderem Koriander, Melisse, Minze, Rosmarin, Salbei und Tannenharz mit dem vergärten Traubensaft. Ob sie diesen warm getrunken haben, lässt sich ohne Originalrezept bedauerlicherweise nicht nachvollziehen. Ich tippe wegen der dortigen Temperaturen aber eher auf kalt.

Schon die alten Ägypter wussten Kräuter- und Gewürzweine zu schätzen
Schon die alten Ägypter wussten Kräuter- und Gewürzweine zu schätzen

Auch im antiken Griechenland und im alten Rom wusste man um die positive Wirkung von Gewürz- und Kräuterweinen. So soll der bekannte griechische Arzt Hippokrates Wermutwein gegen verschiedene Gebrechen verschrieben haben. Und vom berühmten römischen Koch Caelius Apicius ist ein Kochbuch unter dem Namen «De re coquinaria» («Über die Kochkunst») überliefert. Darin findet sich ein Rezept für einen Gewürzwein namens «Conditum Paradoxum». Er besteht aus Wein, Honig, Mastix (ein Baumharz), Pfeffer, Lavendel, Safran und Dattelkernen. Das Originalrezept findet Ihr hier. Folgend eine vereinfachte Variante:

  • 1 Flasche Retsina (weisser, griechischer Harzwein; gibts zum Beispiel hier oder etwas edler hier)
  • 100 Gramm Honig
  • 9 Gramm gemahlener schwarzer Pfeffer
  • 1 Prise Safran
  • 1 Prise getrocknete Lavendelblüten
  • 2 geröstete Dattelkerne

150 Milliliter des Weines mit dem Honig und den Gewürzen kochen, bis sich der Honig aufgelöst hat. Sobald das Gemisch abgekühlt ist, den restlichen Wein zugeben. Wichtig ist es, nicht den ganzen Wein aufzukochen, sonst verdampft zu viel Alkohol. Der Trunk einen Tag bis zwei Tage ziehen lassen und danach absieben. Der Gewürzwein kann kalt oder warm genossen werden (nicht aufkochen, sonst geht zu viel Alkohol flöten. Darum sollte Glühwein nie über 78 Grad Celsius erhitzt werden; ab dann verdampft der Alkohol).

Gewürzwein war bei den alten Römern äusserst beliebt
Gewürzwein war bei den alten Römern äusserst beliebt

Was für Römer gut ist, schadet Rittern nicht. Auch an den Höfen von Königen und Adligen wurde im Mittelalter gerne den gewürzten Weinen zugesprochen; das einfache Volk konnte sich die teuren Gewürze nicht leisten. Sehr beliebt war der Hypocras – ein gesüsster Wein, der mit Gewürzen wie schwarzem Pfeffer, Ingwer, Galgant, Gewürznelken, Majoran, Muskatnuss und Zimt vermischt wurde. Rosenwasser und Orangenblüten fanden ebenfalls ihren Weg in den Hypocras. Serviert wurde das Getränk warm oder kalt. In Basel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Dort wird der Hypocras/Hypokras noch heute beim Jahreswechsel getrunken. Das Rezept dazu (nach Betty Bossi):

  • 7,5 Deziliter Weisswein
  • 1 Liter Rotwein
  • 3 Esslöffel Orangensaft
  • 1 Esslöffel Zitronensaft
  • 220 Gramm Zucker
  • 3 Gewürznelken
  • 1 Zimtstange
  • 1 Esslöffel Kardamomkapseln (nur Samen)
  • 0,25 Teelöffel Muskat
  • 1 Stück Ingwer in Scheiben

Den Weisswein mit allen Zutaten, aber ohne den Rotwein aufkochen. Umrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Etwas abkühlen lassen. Nun den Rotwein dazugiessen. Ein bis zwei Tage ziehen lassen und absieben. Anschliessend fünf weitere Tage kühl und dunkel ziehen lassen.

An mittelalterlichen Tafelrunden liess man es sich mit Gewürzwein gut gehen
An mittelalterlichen Tafelrunden liess man es sich mit Gewürzwein gut gehen

Von Basel reisen wir nach Schweden. Dort nennt sich der Glühwein schlicht Glögg. Das Sympathische an den Skandinaviern. Wenn sie dem Alkohol zusprechen, dann richtig. Darum hat es im Glögg nicht nur Wein, sondern auch Rum. Es ist schliesslich kalt dort oben, darum braucht es ein wenig mehr Heizstoff. Ein Rezept für schwedischen Glögg habe ich hier gefunden:

  • 1 Liter Rotwein
  • 8 Zentiliter Rum
  • 100 Gramm Zucker
  • 1 Zimtstange
  • 20 Gramm frische Ingwerscheiben
  • 2 Teelöffel Kardamom-Pulver
  • 4 Gewürznelken
  • 100 Gramm Rosinen
  • 50 Gramm abgezogene Mandelstifte

Den Rotwein mit Rum und allen Zutaten bis auf die Mandelstifte erhitzen, aber nicht kochen (Ihr wisst: Wir wollen den Alkohol nicht verdampfen). Umrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Den Glögg über Nacht ziehen lassen und danach absieben. Die Rosinen dürfen drinbleiben. Vor dem Servieren wird der Schwedentrunk erhitzt und mit den Mandelstiften garniert. Wer eine hiesige Variante des Glöggs kreieren möchte, kann statt Rum einen feinen Obstbrand verwenden.

Wein mit Rum bringt Stimmung
Wein mit Rum bringt Stimmung

Zum Abschluss ein traditionelles Schweizer Glühweinrezept, den auch dieser schmeckt selbst gemacht mit frischen Zutaten am besten. Es basiert auf Betty Bossi.

  • 1 Liter Rotwein 
  • 150 Gramm Rohzucker
  • 1 Bio-Orange
  • 2 Zimtstangen
  • 3 Gewürznelken
  • 1 Messerspitze Muskat

Die Orange in Scheiben schneiden und mit den anderen Zutaten in der Pfanne erwärmen (nicht kochen … Ihr wisst: Der Alkohol ist unser Freund). Solange umrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Zimtstangen und Nelken entfernen. Noch warm in Tassen oder Gläser geben und servieren. Nach Wunsch mit einem Schuss Schweizer Obstbrand verfeinern. Wohl bekomms!

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Autor

  • Sascha Zäch

    In jedem steckt ein Wermutwolf. Mit ihm entdecke ich neue Geschmacks- und Geisteswelten. Ausserdem habe ich eine alchemistische Ader und stelle gerne eigene Zaubertränke her.

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