Schon seit anderthalb Jahrhunderten treibt ein schwarzer Schlauchpilz sein Unwesen um Destillerien herum. Wer ist er? Wie heisst er? Warum wird man ihn nicht mehr los? Konflikte und Lösungen.
Der umgangssprachlich genannte «Whiskey-Pilz» heisst in korrektem Latein «Baudoinia compniacensis», der vorwiegend um Destillerien oder Bäckereien auftaucht, aber auch dort, wo Autokraftstoff gelagert wird, da ihm neuerdings Ethanol beigemischt wird.
Er ernährt sich partiell von «Angel’s Share» (auch «Angel’s Sip» oder «Devil’s Cut» genannt), vom Alkohol, der in den Brennereien in die Luft entweicht, was etwa zwei bis drei Prozent des Alkohols entspricht, was durchaus beabsichtigt ist, da durch die Lüftung zwar Volumen verloren geht, aber geschmacklich eine Verbesserung stattfindet.
Interessanterweise verträgt er aber nur einen bestimmten Ethanolgehalt. Ab ca. 14 Prozent Ethanolgehalt ist das Ende nah. Glukose (Traubenzucker) kann der Schwarzpilz auch gut verwerten.
Der Pilz betrifft vorwiegend Brennereien und Lagerstätten für Whiskey, Scotch, Wodka, Brandy und Rum, da diese Produkte über lange Zeiträume in grossen, konzentrierten Lagern aufbewahrt werden. Dort kennt man die charakteristischen Einschwärzungen am Gebäude gut.

Wenn ihr den Pilz in Aktion sehen wollt respektive die Verfärbungen, die er bewirkt, dann sind in diesem Artikel von The Daily Mail sehr viele Bilder zu finden.
Da der Pilz sich bis zu ungefähr anderthalb Kilometer rund um die Schnapswerkstätten herum verbreitet, je nach gehäufter Windrichtung und -intensität, sorgt er für einigen Ärger, denn selbst mit Hochdruckreiniger und Chlorbleiche ist ihm nicht den Garaus zu machen, er kehrt wieder zurück. Wobei es ohnehin Stimmen gibt, die meinen, dass Hochdruckreiniger eigentlich nicht wirklich reinigen, sondern alles einfach wegblasen, und Chlorbleiche ätzend wirkt und je nachdem zu toxischen Verbindungen führen kann. Zusätzlich kann es sein, dass durch die Hochdruck-Reinigung der Pilz über die Luft die Gesundheit angreift. Und Biozide können je nach Bausubstanz den Verfall von Gebäuden beschleunigen.
Man findet den Pilz an den erwähnten Orten an diversen Stellen – auch auf Bäumen, Steinen oder Autodächern, Baustellen und Verkehrsschildern, wo er eine schwarze Schleimspur, eine russähnliche Kruste hinterlässt, die bis zu zweieinhalb Zentimeter dick sein kann und dabei Pflanzen und Materialien verkümmern lässt. Verkehrsschilder werden dann nicht mehr zu reinigen versucht, sondern wenn man die Schrift nicht mehr lesen kann, kurzum ersetzt.

Der Pilz zerstört Terrassenmöbel, Hausverkleidungen und so weiter, scheint aber glücklicherweise die menschliche Gesundheit nicht zu schädigen, wobei nicht gut erforscht ist, was er in Böden und Gewässern genau bewirkt. Ethanol baut sich in der Umwelt hingegen schnell ab.
Seine Ähnlichkeit mit giftigem Schwarzschimmel kann natürlich Angst machen. Sicherheitshalber wird empfohlen, den Pilz mit N95-Maske, Schutzbrille und Handschuhen zu entfernen. Doch Brennereipersonal scheint bisher gesundheitlich nicht betroffen zu sein.
Verbreitet ist er weltweit. Baudoinia-Arten ernähren sich nicht nur, aber halt auch von Ethanol. Ethanol in Dampfform, eben, wie das, was beim Destillerien oder beim Lagern entsteht; der sogenannte «Angel’s Share» beschleunigt das Pilz-Wachstum und stimuliert die Sporenauskeimung.

Der Destillerie-Pilz gedeiht in hoher Luftfeuchtigkeit, weshalb zum Beispiel das schottische Wetter ideal ist und wurde bereits vor 150 Jahren in Cognac-Reifungslagern in Frankreich nachgewiesen. Er ist also ein alles andere als neues Phänomen. Doch seit 150 Jahren sind nun mal die Produktions- und Lagerhallen viel grösser geworden und damit auch die Ausbreitung des Schwarzpilzes. Allerdings wurden um Destillerien herum auch Kleinstmotten gefunden, die Pilze essen.
Destillierte Spirituosen werden mindestens seit dem 12. Jahrhundert produziert und getrunken. Doch erst seit etwa dem 17. Jahrhundert lässt man diese in riesigen Lagern (meist in Eichenfässern) reifen. Man bemerkte bei langen Schiffsüberfahrten, bei denen der Schnaps in Fässern transportiert wurde, dass der Spirit bei der Ankunft besser schmeckte. Dann wurde weniger mit Wasser verdünnt, et voila.
Lange Zeit war «Baudoinia compniacensis» nicht wirklich erforscht, wegen der Schwierigkeit, ihn auf künstlichem Nährboden zu isolieren. 2007 wurde er schliesslich klassifiziert. Dort, wo er wächst, hinterlässt er ein verbranntes, geschwärztes, schimmeliges Aussehen. In Frankreich wird das als bekannter Aspekt in der Cognac-Herstellung angesehen, in Amerika hingegen ist man misstrauischer. Und klagefreudiger.
Der Whiskey-Pilz trotzt grossen Temperaturunterschieden (er kann bis ca. 70 Grad Hitze überleben), und überhaupt sind Pilze sehr wunderliche Wesen. Es gibt Pilze, die sich von radioaktiver Strahlung ernähren (ein hoher Melanin-Anteil wird als Schutzschild vor der Strahlung aufgebaut), was ähnlich bizarr anmutet wie ein real existierendes Bakterium, das Nylon konsumiert – ein menschengemachtes, künstliches Produkt.
Was ist überhaupt ein Pilz?
Pilze sind keine Pflanzen. Im Gegensatz zu Pflanzen produzieren Pilze keine eigene Nahrung durch Fotosynthese. Stattdessen ernähren sie sich von organischen Materialien, indem sie diese abbauen oder als Parasiten andere Organismen befallen. Wo auch immer eine Nahrungsquelle entsteht, wird es etwas in der Natur geben, das sich davon einen Vorteil verschaffen wird.
Pilze, von denen es Millionen verschiedene Arten gibt, spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem, da sie an der Zersetzung von totem organischem Material beteiligt sind, und dadurch Nährstoffe freisetzen sowie den natürlichen Kreislauf von Substanzen unterstützen.
Pilze umfassen nicht nur die klassischen Fruchtkörper, die wir als Pilze erkennen, sondern auch andere Formen wie Schimmelpilze, Hefen und Flechten. Diese verschiedenen Pilzgruppen haben unterschiedliche Eigenschaften und Lebensweisen, sind jedoch alle Teil des umfangreichen Pilzreichs. Klassische Pilze sind zudem viel mehr als der Fruchtkörper, den wir zum Beispiel beim Champignon essen. Sie bilden riesige Netzwerke, das Myzel. Wenn Ihr mehr über Pilze wissen wollt, ist das Buch «Verwobenes Leben» von Merlin Sheldrake sehr empfehlenswert.
Man weiss leider zu wenig über die Stammbäume von Pilzen. «Baudoinia compniacensis» existiert nicht erst, seit es Destillerien gibt; eher schon wesentlich länger, als es Menschen gibt.
Es wurde bemerkt, dass unser Whiskey-Pilz am ehesten zur Pilz-Familie «Friedmanniomycetaceae» passt, die in der Antarktis in porösen Felsen wächst. Daher die grosse Widerstandsfähigkeit bezüglich Witterung. Und auch unser Schlauchpilz bevorzugt poröse Materialien. Er verbreitet sich lieber auf Materialien wie Stein anstatt auf glatten Werkstoffen wie PVC.
Jedenfalls laufen seit Längerem diverse Gerichtsprozesse, bei denen Anwohner, primär in Lincoln County, Tennessy, gegen die Destillerien klagen, und verlangen, dass diese Luftfilter installieren und wissenschaftlich untersuchen lassen sollen, was die Ethanol-Dämpfe, die verströmt werden, unter Umständen anrichten, beispielsweise in Bezug zu Lungenkrebs.
In Lincoln County hat «Jack Daniels» (Est. 1866; «Brown-Forman») in den letzten Jahren massiv ausgebaut, von zwei Lagerhäusern in 2020 zu sieben heute, und geplant sind weitere 14 Stück. Weitere Klagen laufen in der Karibik und in Kanada. Auch Konzerne wie «Jim Bean» und «Diageo» sind betroffen. Oft dreht es sich um Liegenschaften-Wertminderungen.
Und eben, das ist alles nichts Neues. Vor vielen Jahren wurde «Diageo» bereits wegen dieser Fungus-Geschichte mit Gerichtsklagedrohungen eingedeckt, in Louisville, Kentucky. Sie zogen daraufhin 185’000 Fässer aus der Gegend ab. Wohin die gebracht wurden, ist nicht bekannt. «Diageo» war jedenfalls so klug, neue Lagerhallen in abgelegenen Gegenden zu bauen, wo man nicht mit solchen Klagen konfrontiert werden konnte.

Dieses Paper fasst wie folgt zusammen:
Dennoch hat es Rechtsfälle gegeben, in denen Eigentümer von Gebäuden in der Nähe Entschädigung für die Kosten der Reinigung ihrer Gebäude und den Verlust des potenziellen Immobilienwerts gefordert haben. In einem Fall in den USA (Merrick et al. gegen Diageo Americas Supply Inc., 2015, zitiert in Bishop, 2016) wurde zugunsten des Klägers entschieden, was dazu führte, dass der Beklagte zustimmte, die Lagerung von Fässern in bestimmten Lagerhäusern einzustellen; der Beklagte besteht jedoch weiterhin darauf, dass der Schimmel natürlich vorkommt.
In Schottland gibt es einen Fall (Chalmers gegen Diageo Scotland Ltd, 2017, zitiert in Craig, 2020), der sowohl nuanciert als auch langwierig ist. Ursprünglich im Jahr 2005 eingereicht, wurde die Behörde Health Protection Scotland (HPS) im Jahr 2006 damit beauftragt, die Ursache des Pilzes zu ermitteln. HPS kam zu dem Ergebnis, dass die Ursache für die Schwärzung nicht mit den durch die Ethanoldämpfe verursachten Pilzen zusammenhing (McRae und House, 2006).
Die HPS-Untersuchung wurde jedoch kritisiert, und die Kläger haben gegen die ursprüngliche Entscheidung Berufung eingelegt. In ihrem Einspruch heisst es, das HPS-Team habe ein Medium und eine Inkubationstemperatur verwendet, die für viele in der Umwelt vorkommende Schimmelpilze wie B. compniacensis ungeeignet seien, und habe es versäumt, einen mikroskopischen Vergleich der Kulturergebnisse und der in den Abstrichen vorhandenen Strukturen vorzunehmen. Ausserdem stützte sich die HPS-Untersuchung auf eine Veröffentlichung von Watson et al. (1984) und scheiterte daran,
neuere wissenschaftliche Arbeiten zu berücksichtigen. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen wurden von den Gerichten zugelassen, und der Fall wird fortgesetzt.

Wie erwähnt, die Ethanol-Dämpfe wären wohl in den Griff zu bekommen. Die Luftfilter würden das Problem offenbar lösen können, doch selbstverständlich würde das für die Brennereien Kosten verursachen, die jene vermeiden wollen. Wie so üblich im Kapitalismus läuft es leider immer wieder auf Fragen hinaus, ob man etwas Gutes tun oder ganz profan Kohle scheffeln will, wobei es eigentlich relativ günstige Filterlösungen aus der Weinbranche gäbe, die man einsetzen könnte.
Sicher ist, dass die ganze Sache hohe Wellen wirft, weil unzählige Arbeitsstellen daran hängen, und die grossen Destillerien mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe rechnen müssten, falls man dem Klägernarrativ Folge leisten würde. Dass in Gegenden wie Tennessy, Kentucky oder Schottland viel Gegenwind zu spüren ist, versteht sich von selbst.
Brandy-Destillerien in Kalifornien weisen den Pilzbefall nicht mehr auf, da sie das ausströmende Ethanol mit Geräten in Wasser und CO₂ umwandeln. «Diageo» meint aber, dass dies den Geschmack des nebenan lagernden Alkohols beeinträchtigt. Andere meinen, dass eine Anreihung von gewissen Bäumen rund um die Destillerien auch schon genügen würde, wobei es Arten gibt, die vom Alkoholdampf nicht geschädigt werden.
Ihr seht also: Das Thema ist komplex und sich eine schlüssige, endgültige Meinung zur tatsächlichen Gefährlichkeit dieses Pilzes zu bilden, fällt schwer. Wir bleiben dran.
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