Bei Whisky denken die meisten an Schottland, Irland, die USA und vielleicht Japan. Doch für das goldene Lebenswasser muss man nicht so weit reisen; die kleine Schweiz kann Whisky ganz gross. Dieses Mal entführen wir Euch nach Stans im beschaulichen Kanton Nidwalden. Dort residieren die Alchemisten von Seven Seals Innovation, die den Stein der Weisen gefunden haben wollen – zumindest für die Produktion von Single-Malt-Whisky.
Ein guter, komplexer Single Malt hat mindestens zehn Jahre seines Lebens in einem Holzfass verbracht; so die gängige Meinung. Die will die Seven Seals Innovation AG mit einem – der Name des Unternehmens verrät es schon – innovativen Verfahren widerlegen.
«Nicht das Alter des Whiskys ist entscheidend für den Geschmack und die Qualität», meinen die Macher von Seven Seals. Man habe die chemischen Vorgänge in der Whiskyreifung analysiert und mit denselben Grundstoffen eine neue Methode entwickelt, um die Aromen von Holz und der vorgehenden Spirituose wie Sherry oder Port wieder zu vereinen. Seven Seals verwende die gleichen Grundstoffe und Parameter wie in der traditionellen Reifung und bringe lediglich die Diffusionsgesetze aus der Physik konsequenter zur Anwendung. Dadurch sei es möglich, aromareichen Whisky in Wochen anstatt Jahren herzustellen.

Mehr verrät das Unternehmen auf seiner Website leider nicht zum Verfahren. Daher auch der Name: Seven Seals, eine Anspielung auf die Redewendung «ein Buch mit sieben Siegeln», die für ein grosses Rätsel steht.
Mit diesen spartanischen Angaben lassen wir uns nicht abspeisen. Deshalb haben wir mit unserer Wolfsnase im Internet nach weiteren Informationen geschnüffelt und sind fündig geworden: So verrät der Erfinder des Verfahrens, Dolf Stockhausen, in einem Interview mit Whiskyexperts, dass keinerlei chemische Methoden, sondern nur physikalische angewendet werden; also keine Farbstoffe, keine künstlichen Zusatzstoffe. Das klingt schon mal gut.
Als Grundstoff dient drei Jahre in gebrauchten Eichenfässern gereifter Single-Malt-Whisky (ohne diese Lagerzeit dürften sich die Seven-Seals-Produkte gar nicht Whisky nennen). Laut Video bei Whiskyexperts stammt der Basis-Whisky aus der Schweizer Langatun-Destillerie, die mittlerweile zum gleichen Unternehmen gehört. Zudem kommt er auch aus der Great Northern Distillery in Irland. Dies bestätigte Michael Soormann, CEO von Seven Seals Innovation, uns gegenüber: «Für Sondereditionen verwenden wir Destillate von Langatun, ansonsten haben wir GND als Lieferant, aber zukünftig auch Destillate aus Schweden.»
Der frisch geschlüpfte Whisky wird vom Stanser Unternehmen mit seinem Schnellverfahren behandelt und soll wie ein Single Malt schmecken, der 15 bis 20 Jahre im Holzfass verbracht hat. Auch hierzu verrät Dolf Stockhausen im erwähnten Video einige interessante Einzelheiten. Man arbeite mit grösserer Oberfläche (als bei herkömmlichen Fässern) und einem höheren Angebot an Aromastoffen. An den Stellschrauben Druck und Temperatur drehe man hingegen nicht.
Wir haben uns beim Wermutwolf bereits mit dem Thema Holz beschäftigt. Holz gibt Aromen an den Whisky ab und nimmt gleichzeitig (meist unschöne) Aromen auf. Je mehr Holzoberfläche vorhanden ist, desto schneller geht der Austausch. Kleinere und neuere Fässer geben ihre Aromen viel rascher ab. Zerlegt man ein Fass in Einzelteile, kann man noch mehr Holz in eine Flüssigkeit bringen und den Austausch weiter beschleunigen. Darauf spielt Dolf Stockhausen im Video ebenfalls an. Er sagt, der Rohstoff von Seven Seals seien Holzabfälle aus der Fassherstellung sowie geschredderte Bohlen unbrauchbar gewordener Fässer.
Meine Vermutung: Seven Seals erhitzt diese Holzstücke, um den typischen Karamellgeschmack und Röstaromen zu erhalten, behandelt sie mit Sherry und Port und rührt den Whisky anschliessend mit den Holzschnipseln um; das beschleunigt den Luftaustausch und die Alterung des Destillats. Auch hierzu habe ich Michael Soormann befragt: «Dies ist im Grundsatz richtig, so wie es im Video auch geschildert wird, jedoch besteht jede Rezeptur aus weiteren zusätzlichen Bestandteilen, aus denen der hervorragende Seven-Seals-Taste entsteht. Nicht umsonst haben wir in Blindtastings gegen 15 oder 12 Jahre alte schottische Whiskys weltweit Goldmedaillen gewonnen.»
Hat Seven Seals den Stein der Weisen tatsächlich gefunden? Probieren geht über Studieren: Freundlicherweise hat uns Seven Seals Tasting-Samples seiner «Classic Line» und eines «Cask Proof»-Whiskys zugeschickt. Diese geben einen guten Überblick über die Möglichkeiten der «Schnellalterung».

Ich bin kein Whisky-Dogmatiker, der nur traditionelle Verfahren akzeptiert. Neuerungen finde ich spannend. Ich mag auch gut gemachte Whiskys ohne Altersangabe wie den Aberlour A’bunadh. So bin ich ans Tasting herangegangen. Aber wer verspricht, dass ein Turbo-Whisky einem 15- bis 20-jährigen Single Malt das Wasser reichen kann, muss sich der Konkurrenz stellen. Zum Glück habe ich einen 18-jährigen Highland Park in meiner Schatzkammer; für mich der Inbegriff eines alten, komplexen und leckeren Single Malts.

Lasst die Spiele beginnen!
Sherry Wood Finish

Riecht sehr intensiv nach Sherry und Karamell. Nach einiger Zeit trauen sich auch leichte Holznoten, Tabak und Vanille hervor. Eher unangenehm empfinde ich den Geruch von überreifen Früchten und Benzin. Dieser Whisky schreit Dir ins Gesicht: Hey! Beachte mich. Er erinnert mich an einen unsicheren Teenager, der sich für den Ausgang zu stark parfümiert. Im Mund macht sich etwas mehr Holz breit, gepaart mit intensivem Trauben- und Karamellaroma. Er ist sehr süss … eine gute Süsse, mit leicht bitterer Holzwürze. Eine schöne Kombination. Der Abgang ist mittellang, süss und würzig. Wegen seiner Stärke von 46 Prozent ist er nicht wirklich weich, aber trotzdem hervorragend trinkbar. Trauben und Karamell dominieren. Ein junger Scotch auf Steroiden. Fast makellos, dafür ohne Ecken und Kanten. Nicht sehr komplex. Prädikat: ordentlich.
Port Wood Finish

Ich rieche Rosinen, Karamell, Holz, Datteln, Apfel, ein Hauch von Rauch, Rotwein, Eiche und Vanille. Es ist alles subtiler als beim «Sherry Wood Finish». Das gefällt mir besser! Aber auch hier stört mich der Geruch nach überreifen Früchten und Benzin. Im Mund ist dieser Single Malt leicht rauchig, weich und süss, kombiniert mit Holzwürze und Rosinen. Er ist schön süffig. Der Abgang ist mittellang, mit etwas Rauch, Holz und Rosinen. Er hat stolze 46 Volumenprozent, ist aber ausgezeichnet trinkbar. Er ist subtiler, ausgewogener und weniger aufdringlich als der Sherry-Finish. Dieser Malt verbirgt seine Jugend besser, schreit nicht, ist unkompliziert und zugänglich. Doch auch er hat ein eher einfaches Gemüt und ist nicht allzu tiefgründig. Prädikat: gut.
Amarone Wood Finish

Die Nase umschmeicheln Rotwein, Schokolade, Holz, Tabak und Karamell – alles sehr intensiv. Wieder der schwere Geruch nach überreifen Früchten und Benzin. Im Mund gibt er sich weich, süss und würzig, mit Aromen von Tabak, Vanille, Holz und etwas Rotwein. Der Abgang ist mittellang. Im Mund bleiben Wein und Schokolade hängen. Auch bei diesem Whisky ist mir der Geruch zu intensiv; er überfordert mich – wie ein zu lautes Orchester voller Profis ist, die nicht aufeinander hören. Alle spielen sehr gut, aber nicht perfekt im Einklang. Prädikat: ordentlich.
Peated Port Wood Finish

Rauch, Rauch und nochmals Rauch … aber wohlschmeckend. Danach treten Rosinen, Schokolade, Karamell, Eiche, Vanille und Tabak hervor – schön in Harmonie. Der Benzingeruch ist auch da. Im Mund ist er rauchig, weich, süss, aber doch würzig. Der Abgang ist mittellang bis lange, mit Torfrauch. Kompliment: Der Rauch wurde gekonnt eingebunden. Tiefe und Komplexität fehlen zwar, aber dieser Whisky ist harmonisch und ausgewogen. Ein sehr leicht zu trinkender, torfig-rauchiger Malt. Das Raue, das Meer, das Wilde von rauchigen Schotten fehlt allerdings. Prädikat: sehr gut.
Peated Double Wood Finish (Cask Proof)

Auch hier steigt zuerst ausgeprägter Torfrauch in die Nase, danach folgen Honig, Rosinen, überreife Früchte, dunkle Schokolade und altes Leder. Den Gaumen umschmeichelt dieser Single Malt süss und weich, mit Torfrauch, Rosinen, Sherry und wenig Holz. Er ist etwas pfeffrig. Wegen seiner Stärke von 58,7 Volumenprozent tut ihm ein wenig Wasser gut. Im Abgang ist er mittellang bis lange, mit Torfrauch. Ein sehr süffiger, aber nicht allzu komplexer Single Malt. Der Rauch dominiert klar. Mir ist er zu einfach, wie ein junger Whisky mit Torfinfusion. Prädikat: gut.
Fazit: Die Zeitmaschine wurde noch nicht erfunden
Bleibt die Gretchenfrage: Schmeckt ein Seven-Seals-Whisky so komplex wie ein 18 jahrelang gereifter Highland Park? Ein klares Nein! Was die Methode von Dolf Stockhausen nicht berücksichtigt, ist das Terroir. Bevor jetzt alle die Hände werfen und «Esoterik» schreien, ich meine den Ort, an dem die Fässer die vielen Jahre stehen. In dieser Zeit nehmen sie zahlreiche Aromen aus der Umgebung auf – Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Das kann der Geruch von Meerwasser sein, der Duft von Blumen, die jeden Frühling blühen, die whiskygeschwängerte Luft in der Lagerhalle und und und. Das macht einen grossen Teil der Komplexität von alten Whiskys aus und lässt sich mit keinem Schnellverfahren reproduzieren. Dadurch sind alte Malts nicht nur lecker, sondern ein Erlebnis. Sie erzählen Dir eine Geschichte, nehmen Dich mit auf eine Reise, offenbaren Dir ihren durch die Jahre geprägten Charakter.
Durch die lange Holzlagerung vermählen sich die Aromen ausserdem viel besser: Alte Whiskys sind für mich subtiler, vielschichtiger und ausgewogener als die Seven-Seals-Malts und NAS-Whiskys (No Age Statement = ohne Altersangabe). Versteht mich nicht falsch: Seven Seals zaubert in kurzer Zeit feine, geschmacksintensive Whiskys. Sie sind alle sehr gut trinkbar oder das, was man gerne als «süffig» bezeichnet. Es sind aber keine richtig alten Whiskys. Das ist auch bei NAS-Whiskys so; es gibt unglaublich wohlschmeckende Vertreter. Sie haben aber meist einen sehr intensiven Geschmack, den der Zahn der Zeit noch nicht abgeschliffen und auf Hochglanz poliert hat. Die Kunst ist es, diese starken Geschmacksnoten bei jungen Malts im Zaum zu halten und auszubalancieren.
Es lohnt sich auf alle Fälle, die Seven-Seals-Destillate einmal zu verkosten. Den vielen gefällt genau ein solches Geschmacksprofil. Probiert ihn und bildet Euch am besten Eure eigene Meinung, denn Michael Soormann von Seven Seals sagt zu meinem Urteil: «Diesen Unterschied können wir und auch alle Experten weltweit nicht sehen, ganz im Gegenteil. Zudem ist die herkömmliche Produktionsmethode der Schotten heute nicht mehr zeitgemäss. Wer akzeptiert den Bau von endlosen Lagerhäusern, die geheizt oder gekühlt werden müssen und dies in einer Zeit, in der alle nach Energieeinsparungen suchen!»
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